1-16. Szene                                                                                                                                     Standort des Hauptquartiers. Vier Heerführer

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(Anm. Ludwig Riedl (1858–1919) war der Betreiber des Café de l’Europe am Stephansplatz, eines der prominentesten Wiener Cafés. Die beste Gesellschaft verkehrte in seinem rund um die Uhr geöffneten Cafe gegenüber des großen Tores des Stephansdoms. Er wurde von seinen adeligen Gästen sehr geschätzt, von General Ritter Auffenberg bekam er sogar Feldpost, in welcher sich der Gast nach den schönen Stunden im Café zurücksehnt und sich dafür bedankt, worüber sich Riedl unendlich freute.)

Vier Heerführer: General Moritz Freiherr von Auffenberg, General Rudolf Ritter von Brudermann, General Viktor Graf Dankl, General Karl Freiherr von Pflanzer-Baltin; Adjutant von General Pflanzer-Baltin

Vier Heerführer treten auf.

Auffenberg: Also meine Herren, das gibts nicht! Ich habe nicht die Absicht, ein zweiter Benedek (wie bei Königgrätz) zu werden, das laß ich mir einfach nicht gefallen –

Brudermann: Aber geh, sei net zwider, was soll denn unsereins sagen. Ich hab nur achtzigtausend verloren und gegen mich fangen s' auch schon an zu stierln.

Dankl: Mir rechnen s' die sieberzigtausend nach.

Pflanzer-Baltin: Gar net ignorieren! Bei mir wird g'stürmt, da gibts keine Würschtel. Morgen moch' mr an Sturm, sonst sitz' mr in der Scheißgassen. I bin für Sturm, möcht wissen, wozu die Leut sonst auf der Welt sind als fürn Heldentod! Sturm moch mr, Sturm moch mr – (er bekommt einen Anfall.)

Auffenberg: Aber geh, aber geh – ganz deiner Ansicht. Ich war immer dafür, daß die Eigenen frisch draufgehn. Bin auch schon mitten drin in der Vorarbeit. I sag, nutzt's nix, so schadt's nix. Aber richtig, daß ich nicht vergiß – der Adjutant hat mich wieder nicht erinnert, an alles muß man rein selber denken –

Brudermann: Was hast denn?

Auffenberg: Nix – zu blöd – nämlich, also ich muß ihm doch eine Karten schreiben. Seit Lublin nimm ich mirs vor, aber in dem Durcheinander beim Rückzug hab ich richtig total drauf vergessen. Einen Augenblick! (Er setzt sich an einen Tisch und schreibt.) Na, das wird ihn doch gfreun!

Dankl: Was schreibst denn da?

Auffenberg: Hörts zu: »In dieser Stunde – «

Pflanzer-Baltin: Ah, der pulvert die Leut auf – dös tur i net. Mir ham Maschinengwehre und Feldkuraten! Morgen moch mr an Sturm und da –

Auffenberg: »In dieser Stunde –«

Brudermann: Schreibst an' Armeebefehl?

Auffenberg: Nein, eine Korrischpodenzkarten.

Dankl: An wen schreibst denn nacher so welthistorisch?

Auffenberg: Hörts zu: »In dieser Stunde, in der ich sonst in Ihren mir so trauten Räumen saß, denke ich an Sie und Ihr Personal und sende Ihnen herzliche Grüße aus fernem Feldlager. Auffenberg.«

Brudermann: Wem schreibst denn? Dem (Kriegsminister) Krobatin?

Auffenberg: Aber was fallt denn dir ein? Dem (Ludwig) Riedl! (Dem Besitzer vom Café de l’Europe am Stephansplatz.)

Alle: Ah dem Riedl (vom Café de l’Europe)! (Natürlich!)

Brudermann: Der Auffenberg is doch ein Gemütsmensch. Sixt es, das gfreut mich von dir. Da wern s' dich nicht mehr mit die neunzigtausend Tiroler und Salzburger heanzen können, die du geopfert hast. Geopfert heißen s' das!

Pflanzer-Baltin: Gar net ignorieren!! Halt beim Hunderter.

Dankl: Wißts, was? Schreiben wir alle dem Riedl (ins Café de l’Europe)!

Brudermann: No ja, ich verkehr eigentlich mehr im (Café de l’) Opera (in der Operngasse) – da wer' ich lieber – (er setzt sich und schreibt.)

Pflanzer-Baltin: Ich bin im (Café) Heinrichshof wie zuhaus, da wer' ich (lieber) – (er setzt sich und schreibt.)

Dankl: No ja, das is ja wahr – wo ich seidera 29 Jahr im Café Stadtpark ein- und ausgehn tu – jeden Tag les ich dort mit'n zusammen den Generalstabsbericht – (er setzt sich und schreibt.)

Auffenberg (beiseite): Alles machen s' mir nach. Zuerst das Strategische und jetztn den Verkehr mit'n Hinterland. Schad, daß der (Feldzeugmeister Oskar) Potiorek net da is, aber der hat mir gestern eine Feldpostkartn ausn Café Kremser gschrieben und der Liborius Frank sitzt mit'n Puhallo von Brlog beim Scheidl. Der Conrad (von Hötzendorf) geht auf Freiersfüßen (um die Baronesse Reininghaus), da is nix mehr mitn Kaffeehausleben. Alles machen s' mir nach. Ich war der erste, der in' »Humoristen« mein Bild hineingeben hat, da war ich bahnbrechend. Das war doch amal eine Abwechslung – nicht immer nur lauter Theatermenscher. Jetzt marschiern s' alle auf, nix wie Generäle, is scho fad, höxte Zeit, daß wieder a Mensch erscheint. Ich war der erste, der die Presse mehr herangezogen hat – jetzt hat scho jeder sein Schlieferl, alles nur wegen der Reglam. Ich bin gespannt, ob der Riedl so viel Geistesgegenwart haben wird, die Karten ins Extrablatt hineinzugeben. Aber richtig, daß ich nicht vergiß, auf d' Wochen hammer Sturm und da muß ich doch – du Pflanzer was glaubst, soll ich gleich an Sturm machn oder erst auf d' Wochen?

Pflanzer-Baltin: Ich will dir in diesem Punkt nichts dreinreden, aber wenn ich an deiner Stell war, ich machet dir an Sturm, daß –

Brudermann: Jetzt wo deine Leut eh kaputt sind, wär ich auch der Meinung. Zum Retablieren (Erholen) is immer noch Zeit. Laß s' stürmen!

Dankl: Lächerlich. Er soll sich das lieber fürn 18. August aufheben, wenn er schon nicht bis zum 2. Dezember warten will. Das gibt dann immer eine schöne Überraschung.

Pflanzer-Baltin: Auf solche Liebedienerein laß ich mich net ein. Bei mir wird morgen g'stürmt, da gibts keine Würschtel!

(Ein Adjutant Pflanzer-Baltins tritt ein.)

Adjutant: Exlenz melde gehorsamst, die Professoren san scho do und wolln das Ehrendoktorat überreichen.

Pflanzer-Baltin: Aha, solln warten – wann's schwer is, sollns es niederstelln und a wengerl verschnaufen.

(Der Adjutant ab.)

Auffenberg: Also kann man gratuliern? Von welcher Fakultät is 's denn?

Pflanzer-Baltin: Czernowitz.

Brudermann: Aber geh, das is doch keine Fakultät, sondern nur ein Lehrstuhl. Von welchem Fach?

Pflanzer-Baltin: Philosophie natürlich.

Dankl: Wo rehabilitierst dich?

Pflanzer-Baltin: Czernowitz. 's haßt net viel, aber schließlich –

Brudermann: Ich hab Aussichten für Graz, weil die dortige Studentenschaft in meinen Reihen gekämpft hat. Aber leider spießt sichs, weil s' aus 'n nämlichen Grund zuspirrn wolln.

Dankl: Mir könnts bald zum Ehrendoktorat von Innschbruck gratuliern.

Auffenberg: Ihr seids Provinzschauspieler. Ich würde so etwas gar nicht annehmen! Ich sag: Wien oder nix. Apropos Wien, der Riedl wird eine Mordsfreud haben! Ich darf nicht vergessen, daß ich den Adjutanten erinner, daß er nicht vergißt, er soll den Kurier erinnern, sonst vergißt der am End und laßt mr die (Post)Kartn fürn Riedl liegen!

Dankl, Brudermann, Pflanzer-Baltin: Das is eine Idee, das mach mr auch, durch'n Kurier is alleweil am sichersten.

Auffenberg (beiseite): Alles machen s' mir nach. Zuerst das Strategische und jetztn den Verkehr mit'n Hinterland!