1-25. Szene Korso
Spekulant,
Realitätenbesitzer / Nörgler, Großindustrieller David Fanto (vorbeigehend)
Wachtmeister
Wagenknecht und Feldwebel Sedlatschek (ein deutscher und ein österreichischer
Soldat)
Dramatiker
und Feuilletonist der Neuen Freien Presse Hans Müller, Wachtmeister Wagenknecht
und Feldwebel Sedlatschek (ein deutscher und ein österreichischer Soldat), Stimme
eines Fiakers vor dem Hotel Bristol, Prostituierte, Zeitungsfrau /
Parlamentsberichterstatter Mendel Singer (vorbeigehend), Sektionschef
des Ministerpräsidenten und Gouverneur der Bodenkreditanstalt Rudolf Sieghart (vorbeigehend),
Mann der einen Zigarrenstummel aufhebt
Ringstraßenkorso
(Kohlmarkt – Graben – Kärntnerstraße – Sirkecke –
Kärtntnerring –Schwarzenbergplatz)
(1.25.1) Spekulant
& Realitätenbesitzer (Nörgler)
Ein Spekulant:
Wissen Sie, wer vollständig verschwunden is?
Ein Realitätenbesitzer: Ich weiß, der Fackelkraus.
Der Spekulant:
Wie Sie das erraten – oft denk ich, kein rotes Büchl (keine „Fackel“), kein Vortrag – ihn selbst hat man
auch schon eine Ewigkeit nicht zu Gesicht bekommen.
Der Realitätenbesitzer: Lassen Sie mich aus mit (Karl) Kraus, ein Mensch, der
bekanntlich keine Ideale hat. Ich kenn doch seinen Schwager.
Der Spekulant:
Ich kenn ihn persönlich.
Der Realitätenbesitzer: Sie kennen ihn (Kraus) persönlich?
Der Spekulant:
Ob ich ihn kenn, Tag für Tag is er an mir vorbei.
Der Realitätenbesitzer: Auf den Umgang müssen Sie nicht stolz sein. Alles in
den Kot zerren – alles niederreißen – nix aufbauen –
(Krakeeler, Nörgler,) Weltverbesserer – tut sich was! Bittsie ich weiß
doch, wie das is. Wie ich jünger war, hab ich auch alles kritisiert, nix war
mir recht. Bis ich mir hab die Hörner abgestoßen. Er wird sich auch (noch) die
Hörner abstoßen (der Fackel-Kraus).
Der Spekulant:
Er is doch schon sehr gedeftet (verzagt).
Der Realitätenbesitzer: No sehn Sie? Ich hab mir sagen lassen, er wird sich
bald zur Ruh setzen.
Der Spekulant:
Warum nicht, er hat gewiß schon hübsch verdient (mit seinem roten Büchel).
Der Realitätenbesitzer: Verdient –! So klein is der geworn! Ich sag
Ihnen, er is fertig (der Herr Fackel-Kraus). Verlassen Sie sich auf mich. Da
zeigt sichs. (Maximilian) Harden (in Berlin) hat nicht aufgehört im Krieg. Der
hat eben die greßeren Themas – (bleibt stehen.) Fesch sind diese
deutschen Offiziere, fescher wie unsere.
Der Spekulant:
Natürlich, jetzt, wo ja zu schreiben wär, schreibt er nicht (der Kraus)!
Der Realitätenbesitzer: No kann er denn?
Der Spekulant:
Wegen der Zensur? Erlauben Sie mir, da könnte doch eine geschickte Feder, und
die muß man ihm lassen –
Der Realitätenbesitzer: Nicht wegen der Zensur – er kann von selbst
nicht. Er hat sich ausgeschrieben. Verlassen Sie sich auf mich. Und dann
– er fühlt jedenfalls, daß jetzt andere Sorgen sind. Das war ja ganz
amüsant, im Frieden – jetzt is man zu solche Hecheleien nicht aufgelegt.
Passen Sie auf, er wirds bald billiger geben (der Herr Fackel-Kraus). Wissen
Sie, was ich ihm gönnen möchte – nehmen solln sie ihn! An der Front! Da
soll er zeigen! (Alles) Was er trefft, is nörgeln.
(Der Nörgler geht vorbei. Die beiden grüßen.)
Der Spekulant:
So was von einem Zufall! Also Sie kennen ihn auch persönlich? Wieso?
Der Realitätenbesitzer: Flüchtig, von einer Vorlesung, ich bin froh wenn ich
ihn nicht seh. Mit so einem Menschen verkehrt man (doch) nicht.
(Großindustrieller
David Fanto geht vorbei. Die beiden
grüßen.)
Beide (gleichzeitig,
geheimnisvoll): Fanto.
Der Realitätenbesitzer (versunken): Großer Mann!
Der Spekulant:
Warum er nicht Vorlesungen hält? Das trägt doch.
Der Realitätenbesitzer (wie erwachend): Wer?
– Ja so – natürlich – (Der) Marcel Salzer reist (als
Vortragender) sogar in Belgien herum, heut
erst hab ich gelesen, er begibt sich von dort zur Armee nach Frankreich (mit seinem Rezitationsabend) und sodann in das
(ins) Hauptquartier und zu den Truppen Hindenburgs.
Der Spekulant:
Hindenburg hat ihm doch sogar geschrieben. Der wird erzählen können. Haben Sie
heut von die Brandgranaten gelesen, selbstentzündlich an der Luft, was sie seit
zehn Monaten in Reims hereinwerfen? Die lassen nicht locker! Die arbeiten! Sehn
Sie, ich kann mir ganz gut denken, daß sie dann am Abend (den Vortrag vom)
Salzer hören wollen.
Der Realitätenbesitzer: Schad um dieses (französische) Reims – die
Kathedrale nebbich!
Der Spekulant:
Sie, damit kommen Sie mir nicht, das hab ich gern! Entschuldigen Sie, wenn es
sich nachgewiesenermaßen um einen militärischen Stützpunkt handelt, so ist das
pure Heuchelei von den Franzosen. Sich hinter einer Kathedrale (zu)
verschanzen, (ausgerechnet,) das hab ach gern, lassen Sie mich aus mit dem
Gesindel.
Der Realitätenbesitzer: No, no, fressen Sie mich nicht bittsie. Hab ich was
gesagt? Das geben Sie gut, als ob ich nicht genau ebenso wüßte, wo die Barbaren
sind. Deswegen kann einem doch leid tun um die (schöne) Kathedrale? Als
Realitätenbesitzer –
Der Spekulant:
No ja, das is etwas anderes, ich kann nur nicht leiden, wenn man im Krieg
sentimental is und besonders dort, wo es sich um eine effektive List handelt!
Krieg is eben Krieg.
Der Realitätenbesitzer: Da ham Sie aber ja recht!
Der Spekulant:
Was heißt das? Kann man sich einem Escheck (Mißerfolg) aussetzen? Der Hieb ist
(immer noch) die beste Parade! – Sehn Sie sich an da – da kriegt
man Respekt.
Der Realitätenbesitzer: Warten Sie, ich wer rufen – Hoch unsere braven
Feldgrauen!
(1.25.2) Wagenknecht
& Sedlatschek
(Ein deutscher und ein österreichischer Soldat, Schulter
an Schulter treten auf.)
Wachtmeister Wagenknecht: Da sind wir denn alle angetreten
und unser Oberbombenwerfer (der Kronprinz Wilhelm) sagte: »Jungens, wenn ihr jetzt mal Lust habt, immer feste druff!«
Feldwebel Sedlatschek (sich ganz nah an ihn haltend und erschreckt zu ihm
emporblickend): Geh –!
Wagenknecht:
Erlaube mal, du lehnst ja an meiner Schulter.
Sedlatschek:
Ah paton – (tritt zurück.)
Wagenknecht:
Na so gehts wieder. Also denk mal an, der Oberbombenwerfer überließ es
uns –
Sedlatschek:
Da schau her, das is eine unserer größten Niederlagen – (zeigt auf ein
Schaufenster.)
Wagenknecht:
Wie? – ach so – ich glaubte – also hör mal –
(Er steht jetzt ganz dicht an Sedlatschek, der
zurücktaumelt.)
Sedlatschek:
Au weh, du druckst ja auf meine Schulter!
Wagenknecht:
Pardonk. Also hör mal, der Oberbombenwerfer –
Sedlatschek:
Tschuldige, daß ich unterbreche. Mir ist das nämlich unklar.
Wagenknecht:
Nanu?
Sedlatschek:
Nämlich, tschuldige – der Oberbombenwerfer, sagst du, hat's g'schafft.
Aber ihr seids doch alle Bombenoberwerfer, wer hat's also g'schafft?
Wagenknecht: Ich verstehe deinen Zweifel nicht, ich sagte doch,
paß mal besser auf – der Oberbombenwerfer.
Sedlatschek:
Noja, aber tschuldige – wirfst du denn nicht auch Bomben ober? Also bist
du doch auch ein Oberbombenwerfer.
Wagenknecht:
Wieso denn, na hör mal –
Sedlatschek: Alstern – der Oberbombenwerfer, das is doch
einer – der was die Bomben – oberwirft, oder nicht?
Wagenknecht:
Oberwirft? Was ist denn das?
Sedlatschek (macht
die Pantomime des Werfens): No – verstehst net – ober –
von do – schau her – ober – auf die Leut.
Wagenknecht:
Ach so, jetzt versteh ich – nee Junge, det is aber zu witzich – ik
lach mich dot – 's ist ja zum Schießen komisch – nee, so hatt'
ich's nich jemeint. Dafür haben wir doch den Ausdruck: herab!
Sedlatschek (ihn
verständnislos anblickend): Was – alstern – der
Herabbombenwerfer?
Wagenknecht:
Ach nee – det jibts nich. Menschenskind, paß mal auf. Ik meine, der
Bombenwerfer wirft die Bombe herab. Aber der Oberbombenwerfer –
Sedlatschek (ihn
anstarrend): Aber der Ober – was?
Wagenknecht:
Nu, det is doch der Scheff von die Bombenwerfer, darum heißt er doch
Oberbombenwerfer – wie soll ich dir das nur klar machen, zum Beispiel,
ach ja, jewiß doch, ihr habt doch auch die Bezeichnung Oberkellner oder
Oberleutnant –
Sedlatschek:
Hörst, jetzt versteh i di. Alstern wie der Oberleutnant der Vorgesetzte von die
Gäst – oder nein – wie der Oberkellner der Vorgesetzte von der
Mannschaft – nein –
Wagenknecht:
Ach siehste, in dem Fall sagen wir einfach: der Ober – Sie Herr Ober,
kommen Sie mal ran.
Sedlatschek (dreht
sich um, salutiert erschrocken): Du, hast den Oberleutnant grufen?
Wagenknecht:
Aber Menschenskind, da könnte ich doch nich Ober sagen. Siehste, beim Kellner
läßt man eben die Berufsbezeichnung wech und sagt einfach Ober, aber
über –
Sedlatschek:
Ober aber über?
Wagenknecht:
Ach nee, ich wollte nur sagen, über die andern Vorgesetzten darf man sich nich
so ankternu ausdrücken, man sagt zum Oberleutnant nicht: Sie Herr Ober –
das wäre doch 'ne Beleidigung. Na und ähnlich ist es mit dem Oberbombenwerfer.
Sedlatschek:
Ich versteh – man muß also sagen: Herr Oberbombenwerfer, derf ich jetzt
eine Bomben – oberwerfen?
Wagenknecht:
Na meinswegen, wenn's dir Spaß macht – ihr Östreicher seid doch zu ulkje
Kunden. Na, gestatte 'n Augenblickchen, ich will da nur austreten.
(Er geht zu einem Anstandsort.)
(1.25.3) Hans
Müller
(Anm. Ohne je selbst Soldat gewesen zu sein, avancierte
der Schriftsteller Hans Müller im 1. Weltkrieg mit patriotischen Schlachtschilderungen zum Frontberichterstatter.
1916 erlebte das »bundesbrüderliche Kriegsstück« „Könige“ am Burgtheater
im Zuge der patriotischen Begeisterung einen derart triumphalen Erfolg, daß es
bald an allen deutschsprachigen Theatern gespielt wurde. Nach einer Aufführung
in München zeigte sich Müller in Uniform auf der Bühne. Deswegen wurde er zur
Zielscheibe insbesondere der Kritik von Karl Kraus, der Müllers schwülstigen,
mit preziösen Anachronismen gespickten Stil in der „Fackel“ aufs Korn nahm.
Müller strengte eine Ehrenbeleidigungsklage an, mußte sie aber wieder
zurückziehen und zugeben, sich nie an der Front aufgehalten zu haben.)
(Da er eben eintreten will, tritt Hans Müller heraus,
geht auf den deutschen Wachtmeister zu und küßt ihn.)
Wagenknecht:
Ja haste Worte, ja hörn Se mal, das ist ja recht liebenswürdich, ihr Wiener
seid überhaupt 'n niedliches Völkchen, aber –
Hans
Müller: Heißa,
jeden Tag fällt mir das Wort Bismarcks ein: Unsre Leute sind zum Küssen, und so
tu ichs denn. Potz Wetter! Ich kann nicht anders, wenn ich solch eines braven
Jungen ansichtig werde. Ich schritt fürbaß, sinnend, wie jetzt manch wackern
Sohnes das treue Mutterherz gedenken mag, da kamet ihr des Weges, ein Bürge des
hehrsten Treubunds, der je zwei Völker zusammengeschmiedet, und wenn's euch nit
verdrießt, Vetter, will ich gern einen Tropfen mit euch schmecken. Seht, hie,
unfern, in dieser Schenke, die der Fremdsinn Bristol nennet, ist ein guter
Tisch gedeckt, da winkt wohl auch ein leckeres Mahl und in munteren Gesprächen,
doch stets der Weihestunde gedenk, soll uns die Zeit nimmer zu lange werden.
Hei, ich hab einen guten Stecken und kann euch rüstig ausschreiten wie einer.
Kommt, laßt uns der Geselligkeit pflegen, wollet ihr? Hab nit übel Lust,
Kamerad, eins zu trinken, wie wärs, wollten wir selbander den roten Römer an
die Sonne heben? Oder mögt einem Schoppen Gerstensaft zusprechen, ein gar
bekömmlich Gebräu aus dem Böhmerland! Wird keinen blanken Taler kosten! Soll
euch ein feines Kraut schmecken, das mir ein Ohm, ein rechter Knasterbart,
übers große Wasser gesandt. Hei, wir paffen selbander und wenn die losen
Kringeln steigen, dann mag wohl auch manch treugemuter Wunsch hinüberflattern
zu den Braven, so itzt um unsers Herdes willen manch ungutem Feind die Stirn
bieten und die
uns fern sind, seit wir Händel gekriegt haben mit dem Welschen. Und ihr –
waret ihr denn auch im Spittel? Seid bresthaft? Seid wohl gar blessiert? Wohlan! Sollt euch nach
Herzenslust letzen!
Doch lasset uns auch der
Erbauung pflegen und die geruhige, vom leichten Ohngefähr uns geschenkte Stunde
sei durch die Nachdenklichkeit gewürzt, wie sie traun dem Inhalt dieser
erschröcklichen Historie, wohl aber auch den lenzlichen Tagen sonnigster
Glückserwartung geziemen mag. Ei, ihr zögert? Wollet nicht? Seid gar
mieselsüchtig? Possen! Hängt den Griesgram an die Wand, stellt ihn in die
finsterste Ecke, wo alter Hausrat, zum Feste unnütz, sich versammelt hat! Topp,
schlaget ein, ergreift die Bruderhand und lasset alle guten Geister eurer
Lebenslust Kirchweih feiern!
Wie? Schmollet ihr mit dem
blauen Himmel? Pah, Grillen! Ein Brummbär, wer heut abseit weilen wollte, ein
Gauch, wer Mißtrauen hegte gegen Freundeswort, ein Schalk, wer hinginge und den
Kameraden in der Leute Mund brächte! Hol Dieser und Jener alle Ohrenbläser!
Männiglich weiß, daß nun nicht Zeit ist, ein Sauertopf zu sein. Ihr seid kein
Töriger. Seid ihr gleich kein Doktor, wir kämen doch selbander eine gute
Strecke weit. Hei, werft nur getrost den Bengel hoch!
(Ein Fiaker hält vor dem Hotel Bristol. Man hört eine
Stimme:)
Fiaker: Im Kriag kriag i's Doppelte!
Hans Müller:
Ei, ihr verwundert euch drob? Nehmt's nit für krumm, des Landes Brauch ist's,
der Wagenknecht ist ein Rauhbein und ein Erzschelm obendrein –
Wagenknecht:
Nanu?
Hans Müller:
– nehmts nit für ungut, er eifert ob des Entgelts, denn er tuts nicht um
Gottes Lohn, solch fahrender Gesell kann beileibe nit genung fodern, und aus
keinem anderen Titul als dem der Selbstsucht. Ei ein Handel, den's alle Tage
gibt, kein grimmer Zwist behüte – er vermeint, der andere werde eh schon
wissen, was die Schuldigkeit sei, der Fremdling versetzt, er wisse es nicht,
wollt's aber gern erfahren, jener mög's dreist künden, der beteuert, er fodere
nit mehr als rechtens und was halt die Satzung sei, der Fremdling, ohn Arg,
fragt, was sie denn sei, jener, fürwitzig, rät, ihm zu zinsen, was er halt den
andern zu zinsen pflag, und schilt weidlich auf die schlechten Zeiten, denn
fürwahr der Haber jückt ihn mehr als seinen Gaul, sie feilschen munter ein Weil
fort, doch jener zagt nicht und meint, daß sie keinen Schultheiß nit brauchen
werden. Und siehe da, sie bringen die rauhe Sach friedlich zu Rande, der beut ein Zwiefaches, der, annoch kratzbürstig,
verlangt den Zehnten obendrein, der zahlt, der gibt dem flinken Renner
die Sporen und nennt jenen einen notigen Beutel. Wohlan! Ein jeglicher mag die
Gelegenheit nutzen, wo die gute Stund ihm gnädig ist und Frau Klugheit führt
allerwegen am sichersten. Wir sind nur die Hansnarren unsers Glücks, und ein
Tor, wer nicht weiß, was gescheuter Leute Art ist. So auch ihr. Habt ihr nur
Witz für einen Fastnachtsgroschen und seid nit auf den Mund gefallen, so wird
sich Schritt vor Schritt mählich alles zu euerm Frommen wenden.
(Eine Prostituierte geht vorbei und sagt:)
Prostituierte: Komm mit schwarzer Dokter,
wir wollen sich gut amesieren.
Hans Müller: Mit nichten, hab itzt nit Muße. (zu
Wagenknecht) Ei, ihr verwundert euch drob? So seht selbst zum Rechten und
lasset euch das Fräulen zu willen sein. 's ist 'ne Hübschlerin, die euch
ergetzen wird, denn ihr freies Gewerb ist's, der Wollust obzuliegen. Der Teufel
hole alle Grillenfänger und mögt ihr immerhin nach eurem Ermessen handeln, doch
schiene mir solcher Umgang der ernsten Zeitläufte nicht würdig. Fasset Mut zu
euch selbst, und seid ihr auch nicht in höfischer Rede gewandt, nicht in den
Künsten und Wissenschaften der Gerechtsame studieret, der gelahrten Schriften
unkundig, ei, Handwerk hat einen goldenen Boden, und vor mir müsset ihr nicht
zaghaft die Zunge hüten. Liegt euch Tand im Sinn, den ihr eurer Liebsten
mitzubringen verspracht, einem artigen Bäslein oder sonst einem schmucken Ding,
das ihr just nit heuern mög tet – sprecht frei von der Leber Sollt ihn
haben, und wär's ein gülden Ringlein an den Finger, wird wohl den Hals nit
kosten. Bange machen gilt nicht. Ich weiß euch einen Krämer, der um Gotteslohn
schon manch wackern Krieger aus deutschen Gauen mit köstlicher Gabe von dannen
ziehen ließ. Lasset euch darob kein Sorg nit anfechten. Gold ist traun ein
höllisch Ding, das wohl verwahrt sein will, und Gevatter Traugott Feitel
genüber wird euch baß zu Gefallen sein.
(Parlamentsberichterstatter
Mendel Singer geht
vorbei. Müller grüßt.)
Hans Müller: Ei, (wer kömmt denn da,
Gott zum Gruß, Meister Mendel Singer) ihr erkanntet ihn nicht? Potz, Meister
Mendel (Singer) wars, ein Singer lobesam und des Kaisers lustiger Rat! Nun aber
wollt' ich schier meinen, daß ihr mit mir stracks zur Schenke müßt. Ist euch
ein fürtrefflicher Wirt und Leutgeb, wird euch Speis und Trunk bereiten, die
euch wohl Munden sollen. Kommt, Freund Zaghaft, laßt alle bösen Zweifel fahren
und schlagt dem Teufel Trübsinn ein Schnippchen. Ist euch voller Listen und
Nachstellungen und hängt euch wohl gar noch ein Zipperlein an. Steckt in
allerlei Mumme und zwackt euch, wo ihr's euch nimmer verseht. Nun, Meister Ratlos,
was steht ihr so blöde? Seh' ich aus wie einer, der Nücken im Kopfe hat? Oder
wähnet ihr gar, mein Beutel sei leer? Hab' manchen Batzen bei Schaubühnen
verdient und mit Kriegssängen mich tapfer durchgeschlagen! Bin kein Spielverderber,
mein's euch gut und war auf eure Kurzweil bedacht, nicht, daß ihr bei hellem
Tage Grillen fangen mögtet. Verschmähet ihr, weil ihr ein Reisiger seid, den
Umgang eines armen Jungen, der daheim geblieben? Bin drum kein Drückeberger
nit. Weiß euch manch tapferes Liedlein, das euch den Mut zu neuer Mannestat
stählen soll.
(Rudolf Sieghart, der Sektionschef des Ministerpräsidenten geht
vorbei. Müller grüßt.)
Hans Müller: (Ei, wer kömmt vorbei? Gott zum Gruß!
Meister Sieghart!) Ei, ihr erkanntet ihn nicht? Potz Schwerenot, Meister
Sieghart wars, (von der Boden-Creditanstalt, Sektionschef des
Ministerpräsidenten), der Besten Einer, der von den Gewaffen Tantiemen bezieht
– euch gesagt! Wohlan! Ein Schelm, wer mehr gibt als er hat, doch artiger
Schnurren hab ich wohl ein Schock im Ränzel. Hum. Denkt ihr, daß ich auf Ränke
sinne? Oder ich wär ein Schubbejack, der euch einen Schabernack spielen will,
oder sonst ein müßiger Fant, der nur redt und schwatzt, um euch hinterdrein zu
trügen? Ei der Daus! Seid nicht hanebüchen! Nicht doch! War mein Lebzeit kein
Tuckmäuser und Leisetreter. Bin sonder Harm und obschon just kein Milchbart und
Habenichts, so doch einer, der das Herz am rechten Fleck hat, sich der Sonne
freut und im Übrigen unsern Herrgott einen guten Mann sein läßt. Denn ich bin
wacker, in alle Sättel gerecht und ein quicker Jung.
(Ein Mann bückt sich, um einen Zigarrenstummel
aufzuheben.)
Hans Müller:
Gott grüß euch Alter, schmeckt das Pfeifchen? (Fortfahrend) Auch üb ich
immer Treu und Redlichkeit bis zum letzten Hauch von Mann und Roß. Ihr
widersprecht vergebens. Laßt mich nur erst zu Worte kommen, dann sing ich euch
eine eigne Weis, daß ihr schier vermeintet, ich spielt euch eins zur Fiedel
auf. Seht, schon sinkt die Sonne über das Gelände, grüßt mit ihren letzten
Strahlen die müden Schnitter, die hier ihres Weges ziehn, manch einer auch von
fröhlichem Gejaide weidwund heimkehrend, ein jeglicher den Blick nach dem
stillen Ziele gewandt, wo Haus und Herd, die treuliebende Gesponsin und die
frohe Kinderschar seiner warten. Gar manche näht sich daheim die Finger wund,
denkt frumb an Kriegers Ungemach in rauher Winterszeit und, der Pflicht ledig, den eigenen Tisch wohl zu
bestellen, sorgt sie liebend für die weitere Sippe der Volksgenossen. Frauen und Mädchen an Vindobonas altem Nibelungenstrom, Gott grüße euch!
Wagenknecht (wie
aus einer Betäubung erwachend zu Sedlatschek): Du, hör mal,
Sedlatschek –
Sedlatschek (kommt
herbei): Ja hörst, so lang brauchst –
Wagenknecht:
Ach nee, ich wollte da austreten, kommt dir so'n Judenjunge und quatscht mir
was vor –
Hans Müller (plötzlich
verändert): Also das is vielleicht ein Verbrechen, daß ich Sie aus
Sympathie für die Waffenbrüderschaft (mit
Deutschland) hab ins Bristol einladen wollen? Wer sind Sie? Glauben Sie, mir
imponieren Sie? Spielt sich da auf! Worauf herauf! Ich wer' Ihnen nicht
salutieren, das wern Sie nicht erleben, von mir nicht! Ich wollte mit Ihnen
reden, weil ich für Sonntag ein Feuilleton über die Nibelungentreue schreiben
soll – itzt können Sie lang warten!
(Ab.)
Wagenknecht (erstaunt
nachblickend): Nee, was es hier für Typen gibt in eurem lieben Wien! Der
Mann sieht aus wie 'n Jude und quasselt 'n Dialekt wie anno Tobak, wo es noch
jar keene Juden gegeben hat. Der Mann ist von der Presse und hat mich geküßt!
Anstatt daß so 'ne fesche Wienerin es einem besorgt, muß man hier so was mitmachen.
Menschenskind, und da frage ich, ob Warschau nicht zu teuer bezahlt ist!
Eine Zeitungsfrau: Extraausgabee –! Teitscha Bericht! Kroßa
Sick da Vabündeteen!
Sedlatschek:
Sixt es, hörst es, da hast eine fesche Wienerin!
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