2-32. Szene                                                                                                            Eine unter das Kriegsdienstleistungsgesetz gestellte Fabrik

> download Word-Doc

Militärischer Leiter einer unter das Kriegsdienstleistungsgesetz gestellten Fabrik, Fabrikant / Fabriksarbeiter

Der militärische Leiter: Anbinden, Stockhiebe, Arrest, no und halt Einrückendmachen – mehr ham wir nicht, was anders gibts nicht. Kann man halt nix machen.

Der Fabrikant (an dessen Arm eine Hundspeitsche baumelt): Solang es geht, versuch ichs in Güte. (Er zeigt auf die Hundspeitsche.) Wie man sich aber helfen soll, wenn diese Gewerkschaftshunde mit ihren Hetzereien nicht aufhören – Aussprache über die Lage der Arbeiterschaft, Ernährungsfrage – wie unsereins da durchhalten soll! – Rechts- und Arbeitsverhältnisse, Neugestaltung des Arbeiterrechtes im Kriege –

Der militärische Leiter: Ehschowissen. Einrückend gemacht und womöglich die Herrn Abgeordneten dazu. Wir haben aus 'm Kriegsdienstleistungsgesetz und dem Landsturmgesetz ohnedem alles herausgefetzt was nur möglich war. Wir brauchen uns da keine Vorwürfe zu machen. Am schönsten war das im August 14 mit die Schmiede und Mechaniker. Vormittag hams noch im Akkord ihre 6 Kronen verdient, Mittag hat mas gemustert und ihnen schön eröffnet, daß sie jetzt Soldaten sein, no und Nachmittag hams am gleichen Arbeitsplatz für die gleiche Arbeitsleistung schön um Soldatengebühren gearbeit'. Hat sich keiner gemuckst. Aber ich sag, eigentlich is so eine Musterung überflüssig –

Der Fabrikant: Oho!

Der militärische Leiter: Ich mein', man hätt's überall so machen solln wie bei uns in Klosterneuburg im Trainzeugdepot, da hab ich ihnen einfach gsagt, ihr seids von jetzt an Kriegsleister und habts daher nur Anspruch auf Soldatenlöhnung.

Der Fabrikant: Ja so!

Der militärische Leiter: Einmal hab'n sie sich beschwert wegen Unhöflichkeit oder was. Hab ich sie mir zum Rapport bestellt und frag sie, wer sie aufgeklärt hat. Antwortet der Kerl: Wir sind organisierte Arbeiter und haben uns an unsere Gewerkschaften um Aufklärung gewendet, die haben uns an zwei Abgeordnete gewiesen! No, sag ich, die Herrn wer' ich mir holen lassen, sie wern dastehn bei euch und wern arbeiten anstatt zu hetzen. Sagt drauf der Kerl: Wir sind organisierte Arbeiter, wir erfüllen unsere Pflicht gegenüber dem Staat, aber wir suchen auch Schutz bei unserer Organisation. Ich –

Der Fabrikant: Also da soll man keine Hundspeitsche bei sich haben. Was haben Herr Oberleutnant –

Der militärische Leiter: Was ich getan hab? Hochverräter seids ihr, hab ich ihnen gsagt, und damit euch die Lust vergeht, euch noch amal zu beschweren, habts ihr dreißig Tage Kasernarrest, punktum, Streusand drüber.

Der Fabrikant: Ich staune über diese Milde. Bei Hochverrat!

Der militärische Leiter: No wissen S', man darfs nicht überspannen. Das Traurige is, daß die Zivilgerichte die Bagasch noch unterstützen.

Der Fabrikant: So ein Fall is mir bekannt. Beim Lenz in Traisen, wo so ein Kerl ohnedem 25 Kronen pro Woche gehabt hat, klagen zwei auf Auflösung, weil sie zuerst 44 gehabt haben. Das Bezirksgericht verurteilt den Lenz. Wie die beiden seelenvergnügt das Gerichtsgebäude verlassen –

Der militärische Leiter: Der Fall is mir bekannt – wern s' von zwei Schendarm in die Fabrik gführt. Dort pelzt ihnen mein Kamerad zehn Tag Arrest auf und weiterarbeiten. Ja, die Gerichte sind eine saubere Staatseinrichtung, das muß ich schon sagen! Zum Glück is der Lenz Bürgermeister, da kann er auch selber Arrest geben. So hat ers mit die Arbeiterinnen gmacht, die hat er am zweiten Weihnachtstag mit Patrouillen abholen lassen, in die Arbeit und hernach in 'n Arrest.

Der Fabrikant: Über mich haben sie sich einmal wegen schlechter Behandlung und unzulänglicher Bezahlung bei der Gewerkschaft beschwert. Ich bitte – bei 38 bis 6o Heller die Stunde! No ich hab mir einen Rädelsführer kommen lassen und sag ihm: Ihr habts euch beschwert, aber die Hundspeitsche ist noch da. Und zeig auf meinen Arm. Sagt der Kerl: Wir sind keine Hunde. No zeig ich halt auf meine Revolvertasche und sag ihm: Für Sie hab ich auch noch einen Revolver! Hat er was – von Menschenwürde hat er was gredt oder so. Also der Kerl hat es richtig so weit gebracht, daß die Beschwerdestelle gesagt hat, die Löhne sind unzureichend!

Der militärische Leiter: Da is doch jedenfalls sofort –

Der Fabrikant: Aber natürlich, er is einrückend gemacht worn, Ihr Vorgänger war darin sehr kulant. Einen, der sich auch einmal über zu geringen Lohn beschwert hat, hab ich gepeitscht und Ihr Vorgänger hat ihm dafür drei Wochen Arrest gegeben.

Der militärische Leiter: Wern S' sehn, über mich wern Sie sich auch nicht zu beklagen haben. Ich sag nur so viel, die Kerle soll'n froh sein, daß sie in keinem Bergwerk sind.

Der Fabrikant: Ich weiß, das Militärkommando Leitmeritz hat den Grubenbesitzern die Lage wesentlich erleichtert. Die Belegschaften sind einfach aufmerksam gemacht worn, daß sie auf die Kriegsartikel vereidigt sind und daß das Vorbringen von Beschwerden unter Umständen als Verbrechen der Meuterei aufgefaßt werden kann, in welchem Fall die Rädelsführer und Anstifter standrechtlich zum Tod verurteilt werden können. Ja, die Grubenbesitzer –

Der militärische Leiter: Bei der Eibiswalder Glanzkohlengewerkschaft in Steiermark müssen s' Sonntagsschichten machen, nach acht Uhr abends gibts kein Gasthaus und Kaffeehaus. Dafür gibts bei fünf Tag Arrest drei Fasttäg. Unter Eskorte wern s' von der Grube in den Gemeindearrest gführt, ein' weiten Weg. In Ostrau hat mas gleich bei Kriegsausbruch zu prügeln angfangt, aber systematisch! Auf der Bank im Wachzimmer, von zwei Soldaten ghalten. Der Kerl, der nacher ei'm Abgeordneten was erzählt hat, den ham s' halt noch amal prügelt. Die was eine Beschwerde vorbringen – einrückend gemacht, auch wenn s' nie gedient hab'n. So is!

Der Fabrikant (seufzend): Ja, Grubenbesitzer müßt' man sein! Die können durchhalten!

Der militärische Leiter: No ganz schutzlos is heutzutag ein anderer Unternehmer auch nicht! Die Werkmeister schaun auch schon von selbst dazu. Sie ohrfeigen ganz tüchtig. Für'n Arrest hab ich immer täglich sechs Stund Spangen vorgsehn ghabt. No und wenn s' so von der Arbeit weg mit aufpflanzten Bajonett durch die Straßen gführt wern, das is schon ein Exempel! Ohne Reinigung vorher, im Arrest die Haar gschorn, auch wann einer nur vierundzwanzig Stund hat, die Menagekosten vom Lohn abzogn – schon wenns von Floridsdorf in die Josefstadt zum Rapport müssen, verlieren s' doch 'n halben Taglohn, no und gar der Verdienstentgang bei Arrest und so Sacherln, und was die Hauptsach is, wenn auch nur für die schwerern Fälle – Einrückendmachen! Also da hat sich noch keiner von die Herrn zu beklagen ghabt bitte!

Der Fabrikant: Aber bitte, ich will ja auch nichts gesagt haben. Und ich bin bekannt dafür, daß ich die militärische Autorität nur im äußersten Notfall strapaziere. Ich verlasse mich lieber auf die Selbsthilfe. Ich sag, solang es in Güte geht –

(Er zeigt auf die Hundspeitsche.)