3-3. Szene                                                                                                                                                           Isonzo-Front. Bei einem Kommando

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(Anm. Die Isonzoschlachten waren zwölf blutige Auseinandersetzungen zwischen Italien und Österreich, die Teil des Gebirgskrieges 1915–1918 waren, benannt nach dem Fluss Isonzo im heutigen Slowenien.)

Oberleutnant Fallota, Oberleutnant Beinsteller

Die Oberleutnants Fallota und Beinsteller treten auf.

Fallota (essend): Weißt, ich iß a Mehlspeis, magst a Stickl?

Beinsteller (nimmt): Ah, eine Spehlmeis, da gratulier ich. Du Genußspecht.

Fallota: Weißt, also da können s' sagen was' wolln, auf die Kunst geben s' obacht bei uns, daß einer Sehenswürdigkeit nichts gschicht, an Denkmal und so Raritäten. Da lies ich grad im »Deutschen Volksblatt«, schau her, aus dem Kriegspressequartier wird gemeldet:

                »In der italienischen und französischen Presse wird die tendenziöse Unwahrheit verbreitet, daß unsere und deutsche Truppen in den besetzten russischen Gebieten griechisch-orthoxe – dodoxe Heiligtümer, wie Kirchen und Klöster, zu Restaurants, Cafés und Kinos umgestalten. Diese Behauptung ist eine frei erfundene Verleumdung. Es ist allbekannt, daß unsere Truppen – und dasselbe kann von unseren Verbündeten festgestellt werden – die Kirchen und Klöster im Feindesland immer mit der (aller)größten Pietät schonen. In unserer Armee ist die Achtung der religiösen Zwecken gewidmeten Stätten eine unumstößliche Tatsache, gegen die auch in diesem Kriege sich keiner unserer Soldaten vergangen hat.« –

                No also, schwarz auf weiß.

Beinsteller: Da sieht man, wie im Krieg gelogen wird.

Fallota: Weißt, also da bin ich selbst Zeuge, also in Rußland war ich selbst einmal in ein Kino, was früher eine Kirchen war, also ich sag dir, nix merkt man, keine Spur von einer Verwüstung, taarlos!

Beinsteller: No ja, paar jüdische Friedhöf – das hab ich gsehn – da war ein bißl ein Durcheinander, da hams die Grabsteiner mitgehn lassen. Aber wie's in Griechenland mit orthodoxe Heiligtümer is, da war ich nicht, das könnt ich nicht sagen.

Fallota: Weißt, wenns überall so haklich wärn auf die Kunstwerk, könntens sich gratulieren. Da lies ich in der Zeitung, schau her, die Redaktion des »Journal de Geneve« –

Beinsteller: Ganef.

(Gelächter.)

Fallota: – sammelt also Unterschriften aller Schweizer Bürger auf einer Petition an Seine Majestät, worin an dessen Wohlwollen und Hochherzigkeit appelliert wird, um den Schutz der Kunstwerke –

Beinsteller: Schmutz der Kunstwerke.

(Gelächter.)

Fallota: – in den von den verbündeten Truppen besetzten Gebieten Italiens zu erreichen. Dazu is a Anmerkung der Redaktion – du großartig schau her –:

                »Derartige Petitionen mögen berechtigt sein, wenn die Entente Gebiete besetzt. Bei uns sind sie überflüssig. Denn wir sind ein Kulturvolk.«

Beinsteller: Natürlich san mr a Kulturvolk, aber was nutzt das – wenn mas ihnen auch hundertmal sagt, deswegen plärren s' doch, mir sein die Barbaren.

Fallota: Weißt, mir wern s' ihnen schon einidippeln. Wenn mr nach Venedig einikommen mitn Spazierstöckl!

Beinsteller (singt):           In Venedig ziehn wir als Sieger ein,

                                              Wo die Gipsstatuen und Bilder sein.

                  Mit den schönen Bildern feuern wir dann an,

                  Und als Zeltblatt (Zeltplane) dient ein echter Tizian.

                  Tschin! Krach! Tschindadra!

                  Handgranaten her!

Fallota: Was hast denn da für a Lied, das is ja großartig –

Beinsteller: Das kennst nicht? Das is doch das »Offensivlied«, was die Einjährigen Kaiserschützen singen. Da sind noch viele Strophen, eine schöner wie die andere, ich hab's wo, ich wer dirs abschreiben.

Fallota: Da revanchier ich mich. Kennst schon den »Katzelmacher-Marsch«?

Beinsteller: Hab davon ghört, in der Kriegszeitung der k. u. k. 10. Armee, gleich mit die Noten – aber die Nummer is leider vergriffen.

Fallota: Pomali, kann ich auswendig, hör zu. – Weißt, was »Tschiff und tscheff« is?

Beinsteller: Aber ja, das bedeutet das Geräusch beim Repetieren –

Fallota: No und »tauch«?

Beinsteller: Das bedeutet die Schlußdetonation des Mannlicher-Gewehres.

Fallota: No wennst das eh weißt – also hör zu:

Tschiff, tscheff, tauch, der Wallisch (Italiener) liegt am Bauch,

Tschiff, tscheff, tauch, der Wallisch liegt am Bauch.

Wir habn sie guat getroff'n,
Die andern dö san gloff'n.


Tschiff, tscheff, tauch, der Wallisch liegt am Bauch.

Könnan nimma Katzl mach'n,
Es tuat halt gar zviel krach'n.


Tschiff, tscheff, tauch, der Wallisch liegt am Bauch.

Den Annunzio und Sonnino Den machma a no hino.


Tschiff, tscheff, tauch, der Wallisch liegt am Bauch.

Den Vittorio Emanuele,
Dem gerb' ma jetzt das Felle.


Tschiff, tscheff, tauch, der Wallisch liegt am Bauch.

Nun werd'n sie fest gedroschen
Auf ihre freche Goschen.


Tschiff, tscheff, tauch, der Wallisch liegt am Bauch.

Und anstatt Trieste,
Da kriagns Hiebe feste.


Tschiff, tscheff, tauch, der Wallisch liegt am Bauch.

Und im Land Tirol,
Kriagns a den Hintern voll.


Tschiff, tscheff, tauch, der Wallisch liegt am Bauch.

Niente per Villaco
Du talkatar Macaco.


Tschiff, tscheff, tauch, der Wallisch liegt am Bauch.

Nun habn sie voll ihrn Hefn,
Weil wir sie alle treffn,


Tschiff, tscheff, tauch, der Wallisch liegt am Bauch.

Da liegn sie nun die Schurken,
Mit eingedroschner Gurken.


Tschiff, tscheff, tauch, der Wallisch liegt am Bauch.

Beinsteller (der jede Strophe mit Gesten und Interjektionen begleitet hat, hingerissen): Tschiff, tscheff, tauch! Du das is aber schon großartig! Ah – ah – du – na hörst! Weißt, so ein Humor, das is nur auf deutsch möglich, das ham s' nicht in inera dalkerten Sprach, das bringen s' nicht heraus!

Fallota: No und der Humor im Felde – in der Nummer – also das mußt lesen!

Beinsteller: Pomali – kennst das schon? Ich bin nämlich Sammler. (Zieht ein Notizbuch hervor) Du, das is aus der Kriegszeitung der Heeresgruppe Linsingen: »Ein Glücklicher.« Feldgrauer (dessen Angebetete seinen Heiratsantrag angenommen hat): Glaub mir, Geliebte, so glücklich hab ich mich nicht mehr gefühlt, seit ich entlaust worden bin.

Fallota (wälzt sich): No kennst schon das neue Büchl »Das Lausoleum«?

Beinsteller: Natürlich.

(Hier laust sich der Vater, hier laust sich das Kind,

Hier laust sich der Herr, hier laust sich’s Gesind’,

Ich als Quartiergast sitz’ in der Mitt’,

Erst schau ich zu, dann laus’ ich mit.)

Fallota: Momenterl – kennst das schon? Ich bin nämlich Sammler. (zieht ein Notizbuch hervor) Du, das is aus der Kriegszeitung der 2. Armee:

                »Weitermachen! – Ein Rekrut, der erst seit wenigen Wochen im Felde ist, muß eine Notdurft verrichten – «

Beinsteller: Der hats aber eilig, hätt nicht warten können, der Schweinkerl.

Fallota: Wart, der Witz kommt erst.

                »Muß also eine Notdurft verrichten und geht auf eine Latrine, die sich unmittelbar an der Dorfstraße befindet. Da gehn zwei Leutnants vorbei. Unser Rekrut ist erst unschlüssig, was er machen soll. Schließlich steht er auf und erweist stramm die vorschriftsmäßige Ehrenbezeigung. Lachend erwidert da der eine Offizier: »Sitzenbleiben, weitermachen!« «

                Du, das wär was für die Fannitant!

Beinsteller (wälzt sich): Momenterl – kennst das schon? Du, das is aus der Kriegszeitung der 10. Armee, weißt, mehr ein feiner Witz, Kindermund, aber gspassig. Alstern

                »Kindermund. – Ich trage einen Vollbart. Ich gehe nun eines Tages etwas spazieren und begegne dabei einem allerliebsten Knirps von etwa drei bis vier Jahren. Ich sehe mir den jungen Herrn an – er sieht mich an. Plötzlich streckt er die Hand aus: »Du Mann«, sagt er, »warum hast du so viel Haare im Gesicht?« – Zois.«

Fallota (wälzt sich): Ja der Zois, der hat halt einen Humor!

Beinsteller: Der redigiert dir die Kriegszeitung, daß' ein Vergnügen is. Schon sein Name is so gspassig – Baron Michelangelo Zois – Michelangelo –

Fallota: Weißt, das is ein Maler, so a italienischer, weißt, der Zois is aber nicht verwandt.

Beinsteller: Woher denn, mit an Katzelmacher!