3-32. Szene                                                                                                                                          Eine stille Poetenklause im steirischen Wald

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(Anm. Ottokar Kernstock war ein patriotischer, deutschnationaler Dichter und Pfarrer von Festenburg in der Oststeiermark. 1916 trat er im zusammen mit Peter Rosegger verfassten Gedichtband Steirischer Waffensegen mit chauvinistisch-blutrünstiger Kriegslyrik hervor.)

Heimatschriftsteller Chorherr Ottokar Kernstock, 1. Kernstock-Verehrer, 2. Kernstock-Verehrer

1. Kernstock-Verehrer: Pst – leise – da sitzt er, ganz versunken –

2. Kernstock-Verehrer: Von hier aus sendet er seine Lieder ins Land, Lieder von kraftvoller, dabei doch sinniger und oft unbeschreiblich zarter Eigenart, Lieder –

1. Verehrer: Ei, es sollte mich wundern, wenn er nicht eben –

2. Verehrer: So scheint es. Still! Alle seine Hörer werden, entflammt an seiner Flamme, das Empfangene dereinst als Lehrer tausendfältig weitergeben und in die Herzen einer neuen Jugend wird versenkt werden, was dieser eine Mann auf seiner waldumrauschten, einsamen Burg in jahrzehntelanger Arbeit ergründete.

1. Verehrer: Fürwahr, der Pfarrherr von der Festenburg ist ein Mann, der mit feuriger, begnadeter Zunge alle lebendigen Schönheiten der Gotteswelt zu preisen versteht. Still!

2. Verehrer: Pst – es scheint über ihn gekommen zu sein. Wird es ein Gedicht oder ein Gebet?

Kernstock (murmelt):


Bedrängt und hart geängstigt ist


Dein Volk von fremden Horden,


Durch Übermut und Hinterlist


Mit Sengen und mit Morden.

1. Verehrer: Ei das kenne ich schon. Das ist ja das Gebet vor der Hunnenschlacht.

Kernstock (murmelt):


(Wir schrei’n zu dir aus tiefster Not,

Der deutsche Name ist zum Spott

Der schnöden Heiden worden.

Gerecht, Herr, ist dein Strafgericht!

Die Schuld ist unser Eigen.

Uns schlug der Feind ins Angesicht –

Wir litten es mit Schweigen.

Wir hatten nicht des Windleins acht,

Und als der Sturmwind dran erwacht,

Ließ mancher Mann sich beugen.)

O Herr, der uns am Kreuz erlöst,


Erlös' uns von der Hunnenpest!


Kyrie eleison!

2. Verehrer:

                Kein Wunder, daß er die Berufung nach Wien angenommen hat. Geadelt durch seinen Priesterberuf, muß er auch als Mensch die allertiefste und nachhaltigste Wirkung auf seine jugendlichen Zuhörer ausüben.

Kernstock (murmelt):


(Gerecht, Herr, ist dein Strafgericht!

Die Schuld ist unser Eigen.

Uns schlug der Feind ins Angesicht –

Wir litten es mit Schweigen.

Wir hatten nicht des Windleins acht,

Und als der Sturmwind dran erwacht,

Ließ mancher Mann sich beugen.

O Herr, der uns am Kreuz erlöst,

Erlös’ uns von der Hunnenpest!

Kyrie eleison!

 

Wir flohn den frischen Kampf; uns war

Ein fauler Friede werter.

Wir boten Gold und Geiseln dar –

Der Drang ward immer härter...)

 

Mit uns sind die himmlischen Scharen all,


Sankt Michel ist unser Feldmarschall.

1. Verehrer: Einen Augenblick lang wird ja der Pfarrherr von der Festenburg gezögert haben, seine verträumte, stille Poetenklause im steirischen Wald mit dem Lärm der Großstadt zu vertauschen. Einen Augenblick lang nur –

Kernstock (murmelt):


Da winkte Gott – der Rächer kam,


Das Racheschwert zu zücken


Und, was dem Schwert entrann,

im Schlamm
Der Sümpfe zu ersticken.

2. Verehrer: Dann aber wird wohl die Erkenntnis in ihm gesiegt haben, welch hoher Beruf sich ihm hier erschließt, welch neue Möglichkeiten ethischer, künstlerischer, kulturfördernder Betätigung sich ihm in Wien bieten. Und die Stimme dieser Erkenntnis wird bald die Oberhand gewonnen haben über das verlockende Rauschen der Tannenforste um die Festenburg.

Beide Verehrer: Still!

Kernstock (wie überwältigt):


Steirische Holzer, holzt mir gut


Mit Büchsenkolben die Serbenbrut!


Steirische Jäger, trefft mir glatt


Den russischen Zottelbären aufs Blatt!


Steirische Winzer, preßt mir fein


Aus Welschlandfrüchtchen blutroten Wein!

1. Verehrer: Es ist nichts Neues, aber es reißt immer von Neuem fort. Der Augenblick ist da. Wenn wir ihn jetzt beim Wort nehmen und ihm als schwärmerische Jünglinge unsere Stammbücher hinhalten, so wär's eine Erinnerung fürs Leben.

2. Verehrer: Fürwahr, das wollen wir!