5-55. Szene (Teil 2)                                                                                                                                                                              Erscheinungen

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Sprechende Erscheinungen:

Kleiner Junge (der Knabe Slobodan Ljubinkovits † 1915)

Ein Kriegsberichterstatter

Angeklagter

Erster Richter

Zweiter Richter

Jüngerer Delinquent (der 19jährige)

Älterer Delinquent (der 21jährige)

Bataillonskommandant

Ein Oberauditor

Der Hauptmann Prasch

Ein Ulanenoberleutnant

Die Gasmasken

Die erfrorenen Soldaten

Der alte serbische Bauer

Die Flammen

Die zwölfhundert Pferde

Lionardo da Vinci

Die Lusitania-Kinder

Die Kriegshunde

Der tote Wald

Die Mutter

Das österreichische Antlitz

Die Raben

Die weiblichen Hilfskräfte

Der ungeborene Sohn

 


Schmaler Bergpfad nach Mitrovica. Schneegestöber. Zwischen tausenden von Karren eine unübersehbare Menschenmasse, Greise und Frauen, Kinder, halbnackt, an der Hand der Mütter, deren manche auch einen Säugling im Arme tragen. Ein kleiner Junge, an der Seite einer Bäuerin aus dem Moravatal, streckt sein Händchen aus und sagt:

Kleiner Junge: Tschitscha, daj mi hleba –

 

Die Szene wird von einem andern Bilde verdrängt.

Durch die Landschaft rast der Balkanzug. Das Tempo verlangsamt sich. Man sieht den Speisewagen, aus dessen Fenstern sich die beiden Kriegsberichterstatter beugen, sie scheinen ihren Ebenbildern im Saal zuzutrinken. Einer ruft:

Kriegsberichterstatter: Es ist doch etwas Schönes um den Krieg –

 

Nun ist es wieder das andere Bild.

Die erschöpften, fast schon erfrorenen Flüchtlinge liegen auf den eisbedeckten Steinen. Das Morgenlicht fällt auf eingefallene, blasse Gesichter, in denen noch das Grauen der verbrachten Nacht steht. Ein Schrei: ein Pferd stürzt in die Tiefe. Wieder ein Schrei, noch gellender: sein Führer ist ihm nachgestürzt. Am Wegrand ein Zu Tode erschöpftes Pferd, dort ein Ochse mit heraushängenden Eingeweiden, ein Mensch mit zertrümmertem Schädel. Der Zug setzt sich in Bewegung. Entkräftete müde Tiere bleiben zurück. Unbeweglich stehen sie. Ihr todtrauriger Blick folgt dem Zug. Mit totenblassem Antlitz, an einen Tannenbaum gelehnt, sitzt eine Bäuerin – es ist jene aus dem Moravatal – in den Armen einen leblosen kleinen Körper, zu dessen Häupten, mit zitterndem Licht, eine kleine Wachskerze brennt.

Die Erscheinung verschwindet.

 

Eine Garnison. Es spielen sich in jähem Wechsel die folgenden Szenen ab.

 

Slowakische Bauern, aus der russischen Gefangenschaft heimgekehrt, zum Teil in Bauernkleidern, zum Teil in russischen Uniformen, bitten um Urlaubsverlängerung wegen des Rückstandes in der Erntearbeit. Der Kompagniekommandant ordnet die sofortige Einteilung der Bittsteller in die nächste Marschkompagnie an.

 

Ein Raum wird sichtbar, in welchem zwei junge Heimkehrer, 19 und 21 Jahre alt, schlafen. Sie werden durch den Lärm des Auftritts geweckt, der sich nun draußen abspielt.

 

Die Leute verweigern die Übernahme, verlangen die Vorführung zum Batailionsrapport. Der Feldwebel schlägt einige von ihnen und empfängt einen Schlag ins Gesicht. Die Kasernenmannschaft wird alarmiert, die Gewehre werden geladen, die Meuternden mit dem Bajonett in den Kasernenhof getrieben und umzingelt. Der Hauptmann erscheint, alle leisten seinem Befehl, sich in Reib und Glied aufzustellen, Folge. Jetzt befinden sich auch die zwei darunter. Er nimmt den Bericht über den Vorfall entgegen. Niemand weiß, wer den Schlag versetzt hat. Der Hauptmann greift jeden Zehnten heraus, läßt sie ins Wachzimmer abführen. Dort werden sie geschlagen, liegen mit Springeisen an den Füßen gefesselt, werden dann in den Garnisonsarrest gebracht. Das Standrecht wird verhängt. Es folgen die Verhöre. Sechs werden vor das Standgericht gestellt.

Der Arresthof im Grauen des nächsten Morgens. Die Richter, der Bataillonskommandant, der Militäranwalt und zwei Geistliche erscheinen. Ein Tisch und ein Kruzifix werden gebracht. Der Gerichtshof gruppiert sich um den Tisch, zu beiden Seiten die Geistlichen. Einer der sechs bekommt bei diesem Anblick einen Herzkrampf, er stürzt heulend und schäumend zusammen, andere raufen sich die Haare, toben, zerreißen ihre Kleider. Die Wachmannschaft sucht sie mit der Versicherung zu besänftigen, daß nur zwei zum Tode verurteilt würden. Ein Richter verliest die Anklageschrift. Der Neunzehn- und der Einundzwanzigjährige werden zum Tode durch Erschießen, die übrigen zu mehrjährigen Kerkerstrafen verurteilt. Der Neunzehnjährige stürzt vor den Vorsitzenden hin auf die Knie, bittet, von Schluchzen geschüttelt, um Gnade. Er zeigt ein Medaillon mit dem Bilde seines alten Mütterchens. Sie werde seinen Tod nicht überleben, man solle ihn ins Feld schicken, er wolle beweisen, daß er ein braver Soldat ist, er habe während des Krawalls geschlafen, er sei ganz unschuldig. Der Richter läßt ihn abführen. Der andere Angeklagte steht totenbleich, aber aufrecht da. Er spricht die Worte:

Angeklagter: Gott weiß, daß ich unschuldig sterbe!

Er läßt sich abführen, während die übrigen um ihre Kameraden weinen. Die Richter begeben sich ins Kasino. Dort sagt einer von ihnen:

Erster Richter: Es is ja ganz klar, daß nur der eine Verheiratete der Schuldige sein kann. Aber kann man denn an' Vatern von sechs Kindern erschießen? Da müsset ja das Ärar für die Hinterbliebenen zahlen! So hat er sechs Jahr, soviel wie er Kinder hat, und den Angehörigen von Militärsträflingen kann der staatliche Unterhalts-beitrag entzogen wern a no.

Ein zweiter sagt:

Zweiter Richter: Drei andere waren auch verheiratet – also bleiben nur die zwei jungen Burschen zum Erschießen. Wern scho was angstellt haben. Tun sie's heut nicht, täten sie's morgen. Unschuldig hin, unschuldig her – ein Exempel muß schtatuiert wern.

 

Nachts im Arrest. Der Jüngere steht mit dem Rosenkranz betend hinter dem vergitterten Fenster. Die Militärgeistlichen erscheinen, um den Delinquenten die letzte Ölung zu erteilen. Der Jüngere heult auf und äußert den Wunsch, noch einmal seine Mutter zu sehen. Es folgt ein gemeinsames Gebet. Er erbittet Papier und Bleistift, um seiner Mutter zu schreiben. Er schreibt. Es ist schon ¼ 9 Uhr. Er erhebt sich.

Jüngerer Delinquent: Mutter!

Er sinkt zusammen. Der andere:

Älterer Delinquent: Habe ich deshalb gekämpft, bin ich deshalb aus Rußland gekommen, daß man mich jetzt wie einen Schlachtochsen zum Metzger führt? – Man soll mich binden und tragen! – Bin ich dazu 21 Jahre alt geworden, um erschossen zu werden? – Macht es schnell!

 

Auf dem Weg zum Richtplatz. Er nimmt Abschied von der strahlenden Augustsonne. Er reißt ein grünes Baumblatt ab und küßt es inbrünstig. Der Jüngere weint unaufhörlich um seine Mutter.

Auf dem Richtplatz. Alter Burghof. Der Einlaß erfolgt nur gegen Vorweis einer Legitimation. Man bemerkt unter den Anwesenden die Spitzen der Behörden, hohe Offiziere und sonstige Würdenträger mit ihren Damen. Die besten Gesellschaftskreise der Stadt sind vertreten. Die Richter, der Bataillonskommandant und die dienstfreien Bataillons-offiziere nehmen in der Mitte des Karrees Aufstellung. Die Delinquenten werden vorgeführt. Das Urteil wird verlesen. Der ältere:

Älterer Delinquent: Wenn der Feldwebel so aussagen konnte, verdient er hier zu stehen, um erschossen zu werden.

Sie wollen nicht, daß ihnen die Augen verbunden werden.

Älterer Delinquent: Ich fürchte nicht mehr die Kugel.

Die Augen werden ihnen verbunden. Sie knien nieder.

Bataillonskommandant: »Feuer!«

 

Säbelschwenken. Zwei Leichen im Gras. Der Hauptmann kommandiert zum Gebet. Alle salutieren. Einer der Priester, mit Offizierskappe und goldener Distinktion am Arm, halt eine Rede, zeigt mit erhobener Rechten auf eine Standarte und blickt verklärt gen Himmel auf das Habsburgerwappen über dem Tor.

Die Erscheinung verschwindet.

 

Kragujevac . In zwei parallelen Reihen sind je 22 Gräber aufgeworfen. Davor knien 44 Heimkehrer älterer Jahrgänge, mit Tapferkeitsmedaillen aller Grade. Bosniaken schießen auf zwei Schritt Entfernung. Ihre Hände zittern. Die erste Partie wälzt sich am Boden. Keiner ist tot. Man setzt ihnen die Gewehrläufe an den Kopf.

Offiziersmesse. Der Oberauditor erhebt das Glas und spricht, indem er seinem Ebenbild im Saal zutrinkt, die Worte:

Oberauditor: Weißt, ich hätt auch dreihundert hinrichten lassen. Trunkenheitsexzesse können nicht geduldet werden. Ich habe den Leuten den ehrenvollen Tod durch Erschießen ausnahmsweise bewilligt.

Die Erscheinung verschwindet.

Der Hauptmann Prasch hält über seinem Kopf einen Kopf. Der Hauptmann Prasch steht vor seiner Deckung, ganz mit Blut bestrichen, er hält über seinem Kopf einen Kopf, den er auf einen Stock gespießt hat. Er spricht:

Hauptmann Prasch: Das ist mein erster italienischer Gefangener, mit meinem eigenen Säbel habe ichs getan. Meinen ersten russischen Gefangenen habe ich vorher martern lassen. Am liebsten gehe ich auf Tschechen. Ich bin ein gebürtiger Grazer. Wer mir in Serbien begegnet ist, den habe ich auf der Stelle niedergeknallt. Zwanzig Menschen, darunter Zivilisten und Gefangene, habe ich mit eigener Hand getötet, mindestens hundertfünfzig habe ich erschießen lassen. Jeden Soldaten, der sich beim Angriff verspätet oder während des Trommelfeuers versteckt hat, habe ich eigenhändig niedergeknallt. Ich habe meine Untergebenen immer ins Gesicht geschlagen, sei es mit dem Stock, sei es mit der Faust. Aber ich habe auch viel für sie getan. In Serbien habe ich ein serbisches Mädchen vergewaltigt, aber dann den Soldaten überlassen und am nächsten Tag das Mädchen und seine Mutter auf einem Brückengitter aufhängen lassen. Die Schnur riß und das Mädchen fiel noch lebend in das Wasser. Ich zog meinen Revolver und schoß auf das Mädchen so lange, bis es tot unter dem Wasser verschwand. Ich habe stets meine Pflicht erfüllt, bis zum letzten Hauch von Mann und Roß. Ich wurde ausgezeichnet und befördert. Ich war stets auf dem Posten. Der Krieg erfordert ein straffes Zusammenfassen aller Kräfte. Man darf den Mut nicht sinken lassen. Kopf hoch!

(Er hebt den Stock höher.)

Die Erscheinung verschwindet.

 

Ein Ulanenoberleutnant. Ein Ulanenoberleutnant läßt einen Popen an den Steigbügel eines Ulanen binden. Man zieht ihm den Mantel aus.

Ulanenoberleutnant: Sie werden Ihren Mantel kaum mehr brauchen.

Der Reiter entfernt sich in leichtem Trab.

Die Erscheinung verschwindet.

 

Winter in den Karpathen Ein Mann an einen Baum gebunden. Er wird losgebunden und bricht ohnmächtig zusammen. Der Kompagnieführer tritt ihn mit dem Stiefelabsatz und weist auf ein Erdloch, zu dem ihn Soldaten tragen.

Die Erscheinung verschwindet.

Flucht. Es regnet. Der General der Tafelrunde sitzt im Automobil und gibt Auftrag, einem Verwundeten das Zeltblatt von der Tragbahre wegzunehmen und über seinen Wagen zu breiten. Er winkt seinem Ebenbild zu und fährt ab.

Die Erscheinung verschwindet.

An einem Rübenfeld in Böhmen. Zwei Kinder tragen einen Kindersarg zum Friedhof. Sie lassen den Sarg fallen. Sie schleppen die Leiche, die im Feld liegt, wieder zum Sarg und setzen dann ihren Weg fort.

Die Erscheinung verschwindet.

Neben einer Brotfabrik ein Haufen von Schutt, Schlacken und Betriebsabfällen. Halbverbungerte Kinder suchen nach Brotkrumen. Sie finden ein Schrapnell. Sie spielen damit. Es explodiert.

Die Erscheinung verschwindet.

Hängeallee in Neusandec. Kinder schaukeln und drehen die Leichname.

Die Erscheinung verschwindet.

Eine Frau, die Kartoffeln gekauft hat, wird von anderen Personen, die nichts mehr bekommen haben, erschlagen. Sie treten auf der Leiche herum.

Die Erscheinung verschwindet.

Auf einem Geleise steht ein Lastzug: die Wohnstatt eines schmutzigen Menschenhaufens; es sind Flüchtlinge, darunter schwangere Frauen, sterbende Greise, kranke Kinder.

Die Erscheinung verschwindet.

Vor einer Hütte in Wolhynien. Ein Bauer mit seinem Schäferhund. Ein Soldat kommt des Weges und verwundet den Hund durch einen Bajonettstich.

Die Erscheinung verschwindet.

Trinkgelage von Offizieren. Ein Leutnant erschießt eine Kellnerin.

Die Erscheinung verschwindet.

Gefechtspause an der Drina. Ein serbischer Bauer holt Wasser. Gegenüber steht und zielt ein Leutnant. Er schießt ihn ab.

Die Erscheinung verschwindet.

Karfreitag in einer Pariser Kirche. Ein Geschoß aus der 120 Kilometer-Kanone schlägt ein.

Die Erscheinung verschwindet.

Ostersonntag. Russische Gefangene, die sich geweigert haben, Stellungsarbeiten im feindlichen Feuer auszufähren, verrichten ihr letztes Gebet.

Die Erscheinung verschwindet.

Sterbende am Drahtverhau vor Przemysl. Sterbende am Drahtverhau vor Przemysl.

Die Erscheinung verschwindet.

Nahkampf und Ausputzen in einem Graben. Nahkampf und Ausputzen in einem Graben.

Die Erscheinung verschwindet.

Ein Schulzimmer, in das eine Fliegerbombe fällt.

Die Erscheinung verschwindet.

Ein Soldat wird aus einer Erdmasse emporgezogen. Sein Gesicht ist blutüberströmt. Er breitet die Arme aus. Seine Augen sind erloschen.

Die Erscheinung verschwindet.

Ein Verbandplatz, auf den eine Fliegerbombe fällt.

Die Erscheinung verschwindet.

Minenexplosion. Ein Soldat reckt seine blutigen Armstümpfe in die Richtung des Saales.

Die Erscheinung verschwindet.

Doppelbild: Ein deutscher Offizier, der einen um sein Leben flehenden französischen Gefangenen niederschießt. Ein französischer Offizier, der einen um sein Leben flehenden deutschen Gefangenen niederschießt.

Die Erscheinung verschwindet.

Somme-Wüste. Brände. Rauchschwaden wie Riesentrauerfahnen. Gebäude stürzen ein. Brunnen werden von Pionieren gesprengt und verschüttet. Evakuierung. Alte Leute werden aus ihren Häusern gejagt. Vor Kälte zitternde Menschen auf dem Versammlungsplatze. Frauen fallen vor Offizieren auf die Knie. Abtransport in die Zwangsarbeit.

Die Erscheinung verschwindet.

Einäscherung der Meierei Sorel bei Loison und Verbrennung von 250 dort befindlichen Verwundeten.

Die Erscheinung verschwindet.

Versenkung eines Spitalschiffes.

Die Erscheinung verschwindet.

Longuyon mit Petroleum-Eimern in Brand gesetzt, Häuser und die Kirche geplündert. Verwundete und kleine Kinder verbrennen.

Die Erscheinung verschwindet.

Flandern. In einer ausgeplünderten Hütte sitzt vor einem Kessel eine Gasmaske. Auf ihrem Schoß eine kleinere Gasmaske.

Die Erscheinung verschwindet.

Es erscheint das Pferd, auf dessen Rücken die Form der Geschützlast blutig eingezeichnet ist.

Die Erscheinung verschwindet.

Winter auf Asinara. Gefangene nehmen den an Cholera verstorbenen Kameraden die Kleider ab. Hungernde essen das Fleisch von Verhungerten.

Die Erscheinung verschwindet.

Baracke in Sibirien. Ergraute Männer, ganz unterernährt, barfüßig, in zerfetzten Uniformen, kauern auf der Erde, starren wie mit ausgehöhlten Augen ins Weite. Einige schlafen, einige schreiben, einige exerzieren mit Schaufeln und machen Gewehrgriffe.

Die Erscheinung verschwindet.

Tausende von Kreuzen in einem Schneefeld.

Die Erscheinung verschwindet.

Ein Schlachtfeld. Trichter und Kavernen. Spazierwege durch die noch stehenden Drahtverhaue. Luxusautomobile treffen ein. Die Touristen zerstreuen sich in Gruppen, photographieren sich gegenseitig in heroischen Stellungen, parodieren Feuersalven, lachen und stoßen Schreie aus. Einer hat einen Schädel gefunden, steckt ihn auf das Ende seines Spazier-stockes und bringt ihn mit triumphierendem Gesicht. Ein Trauernder tritt dazwischen, nimmt den Fund an sich und begräbt den Schädel.

 

Stöhnen der Schlafenden. Die Erscheinung verschwindet.

 

Nun kommt ein Zug von Gasmasken, die vor den im Saale Anwesenden Front machen und sich der Tafel zu nähern scheinen.

Die Gasmasken: 
                  Gesegnete Mahlzeit, wir stecken den Rüssel

aus purer Neugier in fremde Speise.

Denn unsre leider war nicht geraten.

Wir hatten heute nur auf der Schüssel,

und zubereitet auf deutsche Weise,

Dörrgemüse mit Grünkreuzgranaten.

Die Erscheinung verschwindet.

 

Bei der vordersten Linie in den Karpathen. Es ist alles ruhig. In den Schützengräben stehende Leichname. Mann neben Mann, das Gewehr im Anschlag.

Die erfrorenen Soldaten: 
Kalt war die Nacht.

Wer hat diesen Tod erdacht!

Oh die ihr schlieft in Betten —

daß euch das Herz nicht bricht!

Die kalten Sterne retten uns nicht.

Und nichts wird euch erretten!

Die Erscheinung verschwindet.

 

Ein alter serbischer Bauer schaufelt sein Grab.

Der alte serbische Bauer: Wir standen rings um unsere Truh.

Soldaten schrieen auf uns zu.

Wir hatten nichts mehr. Sie wollten was haben.

Drum muß ich jetzt meine Grube graben.

Wir waren arm, wir waren nackt.

Uns selber haben sie angepackt.

Sie stellten die Kinder mir an die Wand,

sie haben sie mir vorausgesandt.

Verbrannt ist mein Feld, verbrannt mein Hab.

Nun grabe ich mir das eigene Grab.

Schon rufen die Kinder — ich komme gleich!

Herr, hilf mir in das Himmelreich!

Die Erscheinung verschwindet.

 

Der Kronprinz bei den Flammenwerfern der 5. Armee. Zur Begrüßung des Kronprinzen wird durch Flammen ein »W« gebildet.

Die Flammen:                         Wir sind die Flammen! Es waren verloren

in unsrer Höllenqual

viele, die Mütter in Schmerzen geboren.

Wir sind ein Initial!

Oh W der Zeit! Weh diesem blutigen Tropf!

Er hatte nichts im Sinn,

er führte was im Schilde. .

So mähte er die Menschheit hin.

Geschaffen nach Teufels Ebenbilde,

Hat er vorm Kopfe einen Totenkopf!

Die Erscheinung verschwindet.

 

Zwölfhundert Pferde tauchen aus dem Meer, kommen ans Land und setzen sich in Trab. Wasser strömt aus ihren Augen.

Die zwölfhundert Pferde: 
         Wir sind da, wir sind da, wir sind da, wir sind da —

wir sind da, die zwölfhundert Pferde!

Die Dohna'schen Pferde sind da, Dohna, da —

wir stiegen empor zu der Erde.

Oh Dohna, wir suchen dich auf im Traum.

Uns wollte der Platz nimmer taugen.

Wir hatten kein Licht, zu viel Wasser hat Raum

in zweimal zwölfhundert Augen.

Graf Dohna umgeben von zwölf Vertretern der Presse. Plötzlich stehen statt ihrer zwölf Pferde da. Sie dringen auf ihn ein und töten ihn.

Die Erscheinung verschwindet.

 

Eine altertümliche Erfinderwerkstatt.

Lionardo da Vinci: – – wie und warum ich nicht meine Art schreibe, unter dem Wasser zu bleiben, solang' ich bleiben kann; und dies veröffentliche ich nicht oder erkläre es wegen der bösen Natur der Menschen, welche Art sie zu Ermordungen auf dem Grund des Meeres anwenden würden, indem sie den Boden der Schiffe brächen und selbige mitsamt den Menschen versenkten, die drinnen sind –

Die Erscheinung verschwindet.

 

Ein süßer Ton erklingt. Meeresstille nach dem Untergang der Lusitania. Auf einem schwimmenden Brett zwei Kinderleichen.

Die Lusitania-Kinder:                    Wir schaukeln auf der Welle —

wir sind nun irgendwo —

wie ist das Leben helle —

wie sind die Kinder froh —

Die Erscheinung verschwindet.

 

Zwei Kriegshunde, vor ein Maschinengewehr gespannt.

Die Kriegshunde: 
                         Wir ziehen unrecht Gut. Und doch, wir ziehn.

Denn wir sind treu bis in die Todesstund.

Wie war es schön, als Gottes Sonne schien!

Der Teufel rief, da folgte ihm der Hund.

Die Erscheinung verschwindet.

 

Ein toter Wald. Alles ist zerschossen, abgehauen und abgesägt. Hüllenloses Erdreich, aus dem sich nur ab und zu ein paar kranke Bäume erheben. Zu Hunderten liegen noch die gefällten, entästeten, zersägten Stämme mit halb schon verwitterter Rinde am Boden herum. Eine zerfallene Feldbahn führt quer hindurch.

Der tote Wald: 
                             Durch eure Macht, durch euer Mühn

bin ich ergraut. Einst war ich grün.

Seht meine jetzige Gestalt.

Ich war ein Wald! Ich war ein Wald!

                                           Der Seele war in meinem Dom,

ihr Christen hört, ihr ewges Rom!

In meinem Schweigen war das Wort.

Und euer Tun bedeutet Mord!

Fluch euch, die das mir angetan!

Nie wieder steig ich himmelan!

Wie war ich grün. Wie bin ich alt.

Ich war ein Wald! Ich war ein Wald!

Die Erscheinung verschwindet.

Ein Oberst läßt eine dalmatinische Frau mit ihrem zwölfjährigen blonden Knaben festnehmen. Während die Frau weggezerrt wird, gibt er den Auftrag, dem Knaben in den Kopf zu schießen. Er steht rauchend dabei, indes Soldaten auf den Händen des Kindes knien und die Exekution vollzogen wird.

Die Mutter: 
                 Daß nie, durch alle Tage, die ihr schändet,

sich euer Blick von diesem Bilde wendet!

Und seid am Ende ihr der Höllenfahrt,

bleib' euch erst dieser Anblick aufgespartl

Die Splitter dieser edlen Kinderstirn,

sie bohren sich in euer Herz und Hirn!

Lebt lang und ewiger Begleiter sei

durch eure Nächte dieser Mutterschrei!

Die Erscheinung verschwindet.

 

Ins Fiebrige verzerrte Heurigenmusik setzt ein. Die Hinrichtung des Hochverräters Battisti. Lachende Soldaten umstehen den Leichnam, Neugierige recken die Hälse. Die Hände über dem Haupt des Toten der fidele Scharfrichter.

Das österreichische Antlitz: 


Aus Tod wird Tanz,

aus Haß wird Gspaß,

aus Not wird Pflanz,

was is denn das?

Is alles stier,

is's einerlei,

denn mir san mir

und a dabei.

Ein guter Christ

sagt: Kinder bet's,

und Henker ist

man nur aus Hetz.

Die Erscheinung verschwindet.

 

Die Klänge erbeben sich wahrend des folgenden Phantoms zu furchtbarer Musik. Auf dem Monte-Gabriele. Zu einem hohen Haufen geschichtet unbegrabene, halb verweste Leichen. Ein Schwarm von Raben umkreist krächzend die Beute.

Die Raben:                     Immer waren unsre Nahrung

die hier, die um Ehre starben.

Aber eure Herzenspaarung

macht, daß Raben nimmer darben.

Wir, die wir uns nie bewarben,

Nahrung haben wir erworben.

Ihr nicht, wir nicht dürfen darben,

euch und uns sind sie verdorben.

Ihr und wir vom Siege schnarren,

wenn die Opfer sich vermehren,

weil im Reiche rings die Narren

eurem, unsrem Ruf nicht wehren.

Waren Generale Raben,

schnarrts von Phrasen dort im Saale.

Draußen sind sie unbegraben,

da sind Raben Generale!

Dürft getrost die Schlacht verlieren,

wir und ihr in keinem Falle

müssen uns vor uns genieren,

Kriegsgewinner sind wir alle!

Ja wir sind noch sehr lebendig,

wir sind beide noch die Alten,

und wir freuen uns unbändig,

diese Kriegszeit durchzuhalten.

Während ihr zum Fraß vereinigt,

brauchen wir nicht zu entbehren.

Hunger hat uns nie gepeinigt,

seit wir folgen euren Heeren.

Hunger würd' uns nimmer munden,

und wir stürben an der Schande,

und wir sind euch sehr verbunden,

daß wir nicht im Hinterlande.

Dort ist wahre Not, die Greise

und die Kinder dort verderben,

weil hier auf die andre Weise

uns zum Trost die Männer sterben.

Eure Schlachtbank läßt nie darben

ihre angestellten Kunden.

Raben haben, seit sie starben,

immer Nahrung noch gefunden.

Die Erscheinung verschwindet.

 

Die Musik, völlig abgedämpft, begleitet das nun einsetzende Schauspiel, um allmählich zu verstummen. Ein unüberseh-barer Aufzug von bleichen Frauen marschiert vorüber, flankiert von Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett.

Die weiblichen Hilfskräfte:

Wir, die Wehrmacht zu entzücken, 


eingerückte Heereshuren,

kehren nunmehr euch den Rücken

als Brigade der Lemuren.

Opfernd heldischem Verlangen,

angesteckt von eurem Mute, 


Rosen blühn uns auf den Wangen

und die Syphilis im Blute.

Blut und Tränen, Wein und Samen

flossen euch zum Bacchanale, 


und was wir von euch bekamen

tragen heim wir zum Spitale.

So verabscheut sind wir heute, 


denn uns schlottern die Gewänder, 


und wir schleppen unsre Beute

in die fernen Hinterländer.

Doch wir wachsen durch die Zeiten! 


Einstens rast ein Landsturm, brausend,

alle Menschheit zu bestreiten, 


durch ein Schaudern des Jahrtausend!

Die Erscheinung verschwindet.

 

Nun erfüllt ein phosphoreszierender Schein den Saal.

Der ungeborene Sohn: 


Wir, der Untat spätere Zeugen,

bitten euch, uns vorzubeugen.

Lasset nimmer uns entstehn!

Wären eurer Schmach Verräter.

Woll'n nicht solche Heldenväter.

Ruhmlos möchten wir vergehn!

Wehlust irdischen Getues!

Liebend hinterläßt die Lues

mir mein Vater, dieser Schuft.

Ruft uns nicht in diese Reiche!

Wir entstammen einer Leiche.

Ungesund ist hier die Luft.

 

Der Schein erlischt.

Völlige Finsternis. Dann steigt am Horizont die Flammenwand empor. Draußen Todesschreie.