6 Epilog Die
letzte Nacht
Sterbender Soldat
Weibliche Gasmaske
Männliche
Gasmaske
General auf der Flucht
Mitfahrender
General
Zwei Kriegsberichterstatter mit Feldstecher
und Kamera
Sterbender
Soldat
Feldwebel
mit Zug
Erblindeter
Kriegsberichterstatterin (Alice Schalek)
Verwundeter
Totenkopfhusar
Gefolge
Nowotny von
Eichensieg
Doktor-Ing. Siegfried Abendrot
Drei
Brigaden
Chor der Hyänen mit Menschengesichtern
Sprecher der
Hyänen Fresssack und Naschkatz (Mitarbeiter der Neuen Freien Presse)
Herr der Hyänen (Moritz Benedikt, Herausgeber der Neuen
Freien Presse)
Drei
gelegentliche Mitarbeiter der Neuen Freien Presse
Stimmengewirr
Vier Stimmen
Diese
Jene
Verschiedene Stimmen
Die eine
Die andere
Stimmen von oben
Stimmen von
unten
Zwei Ordonnanzen
Kino-Operateure
Stimme von oben
Stimme
Gottes
6-1 Sterbender
Soldat
Schlachtfeld. Trichter. Rauchwolken.
Sternlose Nacht. Der Horizont ist eine Flammenwand. Leichen. Sterbende. Männer
und Frauen mit Gasmasken tauchen auf.
Ein sterbender Soldat schreiend
Hauptmann, hol her das
Standgericht!
Ich sterb' für keinen
Kaiser nicht!
Hauptmann, du bist des
Kaisers Wicht!
Bin tot ich, salutier' ich nicht!
Wenn ich bei meinem
Herren wohn',
ist unter mir des
Kaisers Thron,
und hab' für sein
Geheiß nur Hohn!
Wo ist mein Dorf? Dort spielt mein Sohn.
Wenn ich in meinem
Herrn entschlief,
kommt an mein letzter
Feldpostbrief.
Es rief, es rief, es
rief, es rief!
Oh, wie ist meine Liebe tief!
Hauptmann, du bist
nicht bei Verstand,
daß du mich hast hieher
gesandt.
Im Feuer ist mein Herz
verbrannt.
Ich sterbe für kein Vaterland!
Ihr zwingt mich nicht,
ihr zwingt mich nicht!
Seht, wie der Tod die
Fessel bricht!
So stellt den Tod vors
Standgericht!
Ich sterb', doch für den Kaiser nicht!
6-2 Weibliche
und männliche Gasmasken
Weibliche Gasmaske nähert sich
Soviel ich seh', fiel
hier ein Mann mit Gottes Willen.
Auch unsereins hat seine
Pflicht hier zu erfüllen.
In dieser ernsten Zeit
gibts keinen Zeitvertreib.
Das Kleid ist nicht
der Mann, doch ist's auch nicht das Weib.
In Not und Tod und Kot
gibt es die gleichen Rechte.
Wo kein Geschlecht, gereicht's zur Ehre dem
Geschlechte.
Männliche Gasmaske stellt sich gegenüber
Nur daß dein
Gesicht
sich an meines gewöhne!
Ich kenne dich nicht, du
Maske, du schöne!
Erfüllt von dem
Grauen, erfüllend die Pflicht,
sollen wir uns nicht
schauen, wir kennen uns nicht.
Uns gilt nur die Sache,
hier gilt es zu kämpfen,
es droht uns die
Rache
mit giftigen Dämpfen.
Der Himmel spuckt Flammen,
verzischend im Blute.
So gehn wir zusammen
auf diese Redoute.
Fernes Trommelfeuer.
Weibliche Gasmaske
Gesicht und
Geschlecht
verbietet die Pflicht.
Wir haben kein
Recht
auf Geschlecht und Gesicht.
Das Leben
verbracht
zwischen Leichen und Larven
mir tönt diese Nacht
wie Hörner und Harfen!
Beide Gasmasken Arm in Arm
Wir haben kein
Recht
auf Geschlecht und Gesicht.
Gesicht und Geschlecht
verbietet die Pflicht.
Sie verschwinden.
6-3 Zwei
Generale auf der Flucht
Zwei Generale auf der
Flucht, in einem Automobil.
General (Sprechgesang)
Da kann man nicht
weiter,
die Erde hat Risse,
da gibts spanische
Reiter
und sonst Hindernisse.
Die Schlacht hat
nunmehr
eine Wendung genommen,
wir sind bis
hieher
nach vorne gekommen.
In unsere
Jahr'
da
is nicht zu spaßen,
wir sind in Gefahr,
das Leben zu lassen.
Nicht wanken und
weichen
die Mannschaften
ziert.
Fahren S' über die
Leichen,
sonst sind wir petschiert!
Was hat denn der eine,
der hat keinen Kopf,
dem fehlen die Beine,
und am Rock fehlt a Knopf!
Das is ein Skandal,
da werd' ich leicht
schiech,
Sie toter Korpral,
adjustieren Sie sich!
Das is doch zuwider,
da krieg' ich ein'
Pik,
ah, da legst di
nieder –
hörn S', jetzt is doch Krieg!
Der hört nicht.
Herstellt!
Sie, was machen S'
denn dort
mir san doch im
Feld!
Sie gehn zum Rapport!
Das is doch verboten,
die Wirtschaft hier
vorn!
Fahren S' über die
Toten,
sonst sind wir verlorn!
Sie fahren ab. Es
tagt.
6-4 Zwei
Kriegsberichterstatter
Zwei Kriegsberichterstatter im Automobil. Sie steigen aus. Breeches,
Feldstecher, Kodak.
Erster Kriegsberichterstatter
Ich
finde es gut, hier stehen zu bleiben.
Ich
habe den Mut, diese Schlacht zu beschreiben.
Zweiter Kriegsberichterstatter
Ja
hier, wie mir scheint,
kann noch etwas geschehn.
Der
Punkt ist vom Feind
sehr gut eingesehn.
Der Erste
Hier liegen die Helden, hier ist es bewegt,
und
wenn wir es melden (zeigen), es Aufsehn erregt.
Der Zweite
Es imponiert ja doch allen, authentisch mit Bildern,
ist
einer gefallen, die Stimmung zu schildern.
Der Erste
Wir sind gern informiert
von besonderen Seiten.
Was
mich intressiert, sind die Einzelheiten.
Er tritt an einen sterbenden Soldaten heran.
Der Zweite
Sie, machen S' zum End
ein verklärtes
Gesicht!
Ich
brauch' den Moment, wo das Aug' Ihnen bricht.
Der Erste
Sie sind doch gescheit –
solang Sie am Leben,
ist
hinreichend Zeit, eine Schilderung zu geben.
Der Zweite
Was haben Sie empfunden? Was haben Sie sich gedacht?
Wir
brauchen die letzten Stunden, wie war denn die Schlacht?
Der Erste
Schaun S', das wird (doch) goutiert, auf Details ich
schon spitz',
und
Ihr Heldentod wird
eine (sehr) schöne Notiz.
Der Zweite
Dieses Detail schon allein
hat für das Blatt seinen
Reiz,
und
der Chef gibt mich ein
für das Eiserne Kreuz.
Der Sterbende
Geschwinde – geschwinde –
seht, wie ich
– mich – winde –
verbinde, Herr Doktor
–
verbinde, verbinde!
Seit
so vielen Stunden –
mit so vielen Wunden –
sie bluten, sie bluten –
sie
sind nicht verbunden.
Nur
noch wenig Minuten –
laßt mich doch nicht verbluten –
verbindet geschwinde,
ihr müsset euch
sputen.
So
seht doch – wie mir schon –
der Atem – entschwindet
–
geschwinde – Herr Doktor –
verbindet, verbindet!
Der Erste
Der erzählt nichts – zu peinlich!
Der wird
immer verstockter.
Er
hält mich wahrscheinlich
für einen Dokter!
Der Zweite
Krieg ist Krieg – hör'n S', ich hust', unsere
Pflicht hier ist schwer,
über
Ihre zerschossene Brust
sag' ich nur: c'est la guerre.
Der Erste
Denn Wunden verbinden, das hab' ich nicht studiert,
aber
für Eindrücke finden
wer'n wir honoriert.
Der Zweite
Die Stimmung zu melden, das ist unser Brot.
Einen
schweigsamen Helden, den schweigen wir tot.
Wenden sich zur Abfahrt.
Der Sterbende
Mein Weib – ach – ich – bitt
–
das ist – eine Qual –
so
– nehmen S' mich mit –
bis zum – nächsten –
Spital!
Der Erste
Das ist doch gediegen –
was der von mir
will!
So
bleiben Sie doch liegen
und halten Sie still!
Der Zweite
Für einen Gemeinen
ist das eine Ehr'!
Ihr
Bild wird (in der Zeitung) erscheinen, was wollen Sie mehr!
Der Erste
Wenn ich Ihnen garantier', es erscheint ein
Bericht!
Ich
war vor dem Tod hier, so schaun S' mir ins Gesicht!
Der Zweite
Er
sagt nichts darauf.
Ich glaub', es wird gehn.
So
nehm' ich ihn auf –
man wird doch da sehn.
Er photographiert.
Der Erste
So sein S' doch nicht fad, es soll stimmungsvoll sein.
Uns
fehlt der Kurat, Sie sind leider allein.
Der Zweite
Das wär' ein Effekt, dem Abonnenten zu zeigen,
den
Priester direkt
über den Helden sich neigen!
Der Erste
Wir sind doch intim, er tät's mir zu Liebe,
weil
ja schließlich auch ihm
eine Reklam dabei bliebe.
Der Zweite
Wo man ihn ja einmal braucht, ist er natürlich beim
Teufel.
Das
ist trostlos . . . Es raucht!
Nur ein Blindgänger, kein Zweifel!
Der Erste
Geh' mr! Hier is stier, hier is doch nix los.
Gehn
wir ins Pressequartier
vor dem Gegenstoß.
Der Zweite
Der würde mich nicht
im geringsten tuschieren,
ich
kann bloß bei dem Licht
nicht photographieren.
Der Erste
Sie, hier wie mir scheint
kann noch was geschehn,
der
Punkt ist vom Feind
zu gut eingesehn!
Der Zweite
Es lohnt nicht zu bleiben.
Bin ich ein
Held?
Also
was soll man schreiben?
Ein Erlebnis im Feld!
Sie fahren ab.
6-5 Feldwebel
mit Revolver
Ein
Feldwebel jagt mit dem Revolver einen Zug vor sich her.
Feldwebel
Marsch! lch wer' euch Iehrn hier herumtachiniern!
Fürs
Vaterland stirbts, oder ich laß euch krepiern!
Was
glaubts denn, i wer's euch schon einigeignen!
Jetzt schießts auf den
Feind, oder ich schieß auf die Eignen!
6-6 Erblindeter
Ein
Erblindeter tastet sich kriechend vorwärts.
Erblindeter So, Mutter, Dank! So fühl' ich deine Hand.
Oh,
sie befreit von Nacht und Vaterland!
Ich
atme Wald und heimatliches Glück.
Wie führst du mich in
deinen Schoß zurück.
Nun
ist der Donner dieser Nacht verrollt.
Ich
weiß es nicht, was sie von mir gewollt.
O
Mutter, wie dein guter Morgen thaut!
Schon bin ich da, wo
Gottes Auge blaut.
Er stirbt.
6-7 Kriegsberichterstatterin
(Schalek 12)
Die Kriegsberichterstatterin erscheint.
Kriegsberichterstatterin:
Hier
ist er, das Suchen hat sich gelohnt,
hier find' ich den
einfachen Mann an der Front!
Ein Verwundeter tastet sich kriechend
vorwärts
(und spricht »Der Zeuge«):
Fluch,
Kaiser, dir! Ich spüre deine Hand,
an
ihr ist Gift und Nacht und Vaterland!
Sie
riecht nach Pest und allem Untergang.
Dein
Blick ist Galgen und dein Bart der Strang!
Dein
Lachen Lüge und dein Hochmut Haß,
dein
Zorn ist deiner Kleinheit Übermaß,
der
alle Grenze, alles Maß verrückt,
um
groß zu sein, wenn er die Welt zerstückt.
Vom
Rhein erschüttert ward sie bis zum Ganges
durch
einen Heldenspieler zweiten Ranges!
Der
alten Welt warst du doch kein Erhalter,
gabst
du ihr Plunder aus dem Mittelalter.
Verödet
wurde ihre Phantasie
von
einem ritterlichen Weltkommis!
Nahmst
ihr das Blut aus ihren besten Adern
mit
deinen Meer- und Luft- und Wortgeschwadern.
Nie
würde sie aus Dreck und Feuer geboren!
Mit
deinem Gott hast du die Schlacht verloren!
Die
offenbarte Welt, so aufgemacht,
von
deinem Wahn um ihren Sinn gebracht,
so
zugemacht, ist sie nur Fertigware,
mit
der der Teufel zu der Hölle fahre!
Von
Gottes Zorn und nicht von seinen Gnaden,
regierst
du sie zu Rauch und Schwefelschwaden.
Rüstzeug
des Herrn! Wir werden ihn erst preisen,
wirft
er dich endlich zu dem alten Eisen!
Komm
her und sieh, wie sich ein Stern gebiert,
wenn
man die Zeit mit Munition regiert!
Laß
deinen Kanzler, deine Diplomaten
durch
dieses Meer von Blut und Tränen waten!
Fluch,
Kaiser, dir und Fluch auch deiner Brut,
hinreichend
Blut, ertränk sie in der Flut!
Ich
sterbe, einer deutschen Mutter Sohn.
Doch zeug' ich gegen
dich vor Gottes Thron!
Er stirbt.
6-8 Totenkopfhusar
Ein Totenkopfhusar mit Gefolge erscheint.
Der Totenkopfhusar
Schnedderereng,
schnedderedeng!
Die Luft hier ist mein
Leibparfeng.
Wir sind die
Totenkopfhusaren,
in unsrem Handwerk
wohlerfahren.
Wir haben eine
schlanke Tallie,
ich lasse stürmen die
Kanallie.
Hält man von außen uns
für Puppen,
vom Auge fall'n dem
Feind die Schuppen.
Denn nimmermehr läßt
an die Wimpern
ein Totenkopfhusar
sich klimpern!
Jetzt sollen mal die
Jungens ran
und jeder zeigen, was
er kann,
sie sollen, denn wer
wagt gewinnt,
jetzt zeigen, was sie
imstande sind.
Seit damals, seit dem
Tag der Marne,
ich täglich vor Erschlaffung
warne.
Wir müssen warten vor
Werdeng.
Schnedderedeng, schnedderereng!
Schnedderedeng,
schnedderereng!
Mein Mieder wurde mir
zu eng.
Mein Vater ist ein
zahmer Panther;
in dem Punkt bin ich
viel gewandter.
Ich bin ein junger
Jaguar,
das Vaterland ist in
Gefahr.
Mein Bart ist britisch
zugestutzt;
zu wenig Mörser sind
verputzt.
In Frankreich lebt es
sich nicht leicht;
es ist bei weitem
nicht erreicht!
Solang man jung,
solang man jung,
braucht man noch mehr
Betätigung.
Doch eh ich opfere die
Garde,
soll ins Quartier mein
Lieblingsbarde.
Schlag zwölf ist
Sturm, glock fünf ist Vesper,
den einzigen Reim
drauf weiß mein Presber.
Denn Kunst ist heiter,
Dienst ist streng.
Schnedderereng, schnedderedeng!
6-9 Nowotny
von Eichensieg
Man hört
einen Marsch. Nowotny von Eichensieg tritt auf.
Nowotny von
Eichensieg
Ja aus Flak und
Dag
und aus Rag und aus
Kag
bezieh jeden Tag ich das Menschenpack.
Auch das
Hinterland
an die Front wird
gesandt.
Wer sich nicht ermannt, der gspürt meine Hand.
Dem gemeinen
Mann
tu ich an, was ich
kann.
Gott weiß es allein, was liegt daran.
Wer hier tachiniert,
wird
zurückinstradiert
und wird aufgehängt oder eingespirrt.
Wer verdächtig
wär
oder gar Deserteur,
den schick ich zurück auf das Feld der Ehr.
Wer an Bauchschuß
hat
und er steht mir nicht
grad,
der stirbt mir zur Straf als a Frontsoldat.
Denn hier ist mein
Reich
und mir ist alles
gleich
und bevor einer stirbt, is er schon eine Leich.
Und hier ist man
gesund,
sagt der Stabsarzt
und
der Mensch is im Grund nur a A-Befund.
Ja da gibts keine Wahl,
hier entscheidet die
Zahl,
überall is a Menschenmaterial.
6-10 Doktor-Ing.
Abendrot
Der
Doktor-Ing. Abendrot aus Berlin erscheint.
Doktor-Ing. Abendrot (wissenschaftlicher
Vater der »chlorreichen Offensiven«, der deutsche Chemiker Fritz Haber)
Um endlich den
endlichen Endsieg zu kriegen,
und dann also endlich
unendlich zu siegen,
greift ungebrochne
strategische Kraft
in die letzten Reserven der Wissenschaft.
Was half uns die Kunst
unsrer Bombenwerfer?
Und das Gas, noch so
scharf, macht das feindliche schärfer.
Oft wurde das Anbot
von unseren Gasen
in unsre Linien zurückgeblasen.
Bei immer wieder
vergebnem Beginnen
muß Wissenschaft
endlich auf Abhilfe sinnen.
Da Not bekanntlich das
Eisen zerschlagen,
das man einst für Gold uns hat angetragen,
so warfen wir es zum
Eisen, zum alten,
um mit unserm Ingenium
durchzuhalten.
Als Ritter vom Geist
greifen wir noch zum Schwert,
wenn sich längst schon der Flammenwerfer bewährt,
und sind entschlossen,
mit Dünsten und Dämpfen
und Minen bis aufs
Messer zu kämpfen.
Den Wortschmuck
beziehen wir gern für die Tat
aus der Zeit, wo es die noch gegeben nicht hat,
und sind selbst heut
in Turnieren befangen,
wo wir längst schon
die chlorreichsten Siege errangen.
Mit allen Schikanen
der chemischen Kraft
kämpft der Deutsche im Geiste der Ritterschaft.
Nun gilt es in diesen
romantischen Tagen
ein Letztes noch in
die Schanze zu schlagen.
Der vielen Wunder aus
deutschen Mären
wir bringen das radikalste zu Ehren,
und zu widerlegen die
Mär von den grausamen Hunnen,
griffen wir tief in
den deutschen Märchenbrunnen.
Der Erzähler bin ich,
denn ich bin der Erfinder;
bestimmt ist's für ungehorsame Kinder,
die immer noch
glauben, wir sein die Barbaren,
wiewohl wir
elektrotechnisch verfahren.
Das praktische
Märchen, das poetische Mittel,
es trägt nach meinem Namen den Titel:
ich stelle mich vor:
bin Herr Abendrot
aus Berlin und leuchte
zu frühem Tod.
Es war einmal, so will
ich beginnen
mit meine Hörerschaft zu gewinnen,
es war einmal eine
Lungenpest,
so böse, daß kaum
sich's beschreiben läßt.
Doch hat sie die
Wissenschaft längst begraben,
und wo man sie brauchte, war sie nicht zu haben.
So hilft ihr die
Wissenschaft wieder empor,
denn sie hat für
strategische Wünsche ein Ohr.
Sie verhalf schon zu
allen den Surrogaten,
die uns das Leben ersetzen, den Kaffee, den Braten.
So ersetz'n wa einfach, m.w., auch den Tod
durch das praktische Mittel Abendrot.
Mit unseren ausgesuchtesten Gasen
jagten wir aus dem
Feld nur die falschen Hasen.
Doch fortan, kein Hase
bleibt auf dem Platz,
dank unserem Lungenpestersatz!
Die Welt in Spital
oder Friedhof zu wandeln,
mußten wir oft zu
geräuschvoll handeln.
Nun hoffen wir die
Position uns zu stärken,
denn der Feind wird jetzt sterben, ohne selbst es
zu merken.
Ein Druck auf den
Knopf wird von jetzt an genügen,
über zehntausend
feindliche Lungen zu siegen.
Man lebt auf Sandalen
und nicht mehr auf Sohlen,
doch der Tod wird sein Opfer geräuschloser holen.
Man hat mich berufen,
meine Kunst zu erproben.
So soll nun das Werk
seinen Meister loben!
Die Miesmacher wollten
den Endsieg uns rauben,
nun werden sie doch an ein Wunder glauben!
Wir woll'n mit dem Tod
uns neuorientieren
und unsere letzte
Schankze probieren.
Und, wuppdich, ehe der
Feind es gedacht,
ist die Sache im Westen auch schon gemacht,
und vor unsern Linien
liegen die Leichen,
damit wir den Platz an
der Sonne erreichen.
Schon glänzt wie von
Abendrot eine Krone.
Ich bin im Weltkrieg die große Kanone!
Mit Tirpitz und Zeppel
nehm' ich es auf.
Mit Gott nimmt das neuste Verhängnis den Lauf!
Er drückt auf einen Knopf. Drei Brigaden sinken lautlos
um.
Die Kinder, die
Kinder, sie hör'n es nicht gern.
So bewährt sich das wahre Rüstzeug des
Herrn!
Keine Wacht am Rheine
liefert so fest
und so treu wie die
Nibelungenpest.
Die Not ließ erkennen
das letzte Gebot.
Mein Name ist Siegfried Abendrot.
Er verschwindet.
6-11 Hyänen,
die Menschengesichter tragen
Es wird dunkel. Es
erscheinen Hyänen, die Menschengesichter tragen. Als Sprecher die Hyänen
Fressack und Naschkatz. Sie kauern vor den Leichen und sprechen, rechts und
links, in ihr Ohr.
Freßsack
Wenn
Sie vielleicht was bedarfen, wenn Sie vielleicht was bedarfen,
wir
sind da, wir tragen Gesichter als Larven.
Doch
erschrecken Sie nicht vor Bärten und Mähnen:
wir
sind keine Menschen, wir sind nur Hyänen!
Nur
daß Ihr Opfer umsonst nicht wäre,
sind
wir hier am Platz, auf dem Felde der Ehre.
Bedarfen
Sie nichts, nehmen wir Ihnen was ab,
was solln Sie mit
Schmuck und Barschaft ins Grab!
Naschkatz
Ihr
seid nebbich froh, daß alles erledigt.
Für
eure Verluste haben wir uns entschädigt.
Auf
unseren Rat gingt ihr frisch in das Feld,
gabt
ihr euer Blut, nahmen wir euer Geld.
Damit
wir gewinnen, mußtet ihr wagen,
jetzt
gilt's noch ein Scherflein beizutragen.
Wenn
ihr auch besiegt seid, wir werden doch siegen.
Das Blut ist gesunken,
das Fleisch ist gestiegen.
Freßsack
Ihr könnt euch in dem Punkt auf
uns verlassen:
bald
wird euch des Kaisers Rock nicht mehr passen.
Mit
euren Granaten und Bomben und Minen
fahrt
weiter so fort und laßt uns verdienen.
Das
ist ein Vergnügen, herum hier zu lungern,
ihr
braucht nicht zu frieren, ihr braucht nicht zu hungern!
Wir
wissen es doch, unser Ehrenwort, heuer
sind Kohle und Fett
noch dreimal so teuer!
Naschkatz
Wir
sagen es ins Ohr euch, ihr solltet uns danken:
dadurch, daß ihr hier liegt, gehts besser den Banken.
Durch die Bank konnten sie das Kapital sich vermehren,
die Fusion mit der Schlachtbank kann man ihnen nicht
wehren.
Ihr könnt noch von Glück sagen, so ruhig zu liegen,
wenn zugleich mit den Kugeln die Tausender fliegen.
Doch ihr seid entschädigt: ein jeder ein Held!
Ihr schwimmt ja in
Blut, und wir nur in Geld.
Freßsack
Ihr
werdet doch fortleben in den Annalen!
Umsonst ist der Tod, doch dafür muß man zahlen.
Wir haben den Krieg ja nicht angefangen.
Wir haben ihn nur gewünscht, aber ihr seid gegangen!
Von unsern Verdiensten wird niemand singen,
euch müssen doch schon die Ohren klingen!
Von euch werden euere Enkel noch sagen.
So solln sich die
unsern über uns nicht beklagen.
Naschkatz
Meine
Kinder wärn auf ein Haar an die Front gekommen.
Zum Glück aber hat man sie nicht genommen.
Der eine is für Hintertürln zu ehrlich,
er is im Geschäft einfach unentbehrlich.
Der andere is zu stolz, so war ich für ihn oben,
a conto dessen is er heute enthoben.
Aufs Jahr lass ich meinen jüngsten entheben.
Ihr wart auch einmal
jung – da soll man erleben!
Freßsack
Mein
Bub hat ka Protektion, doch er hat sichs gerichtet,
der andere hat Talent, er hat über Siege gedichtet.
In
demselben Moment, wie ihn das Vaterland rief,
macht
der Jung ein Gedicht und kommt ins Kriegspressearchiv.
Er will aber hinaus – statt dort is ihm
lieber
er geht, und wird gleich Dramaturg bei Ben Tiber.
Bittsie drin muß er schreiben, was sich draußen
ereignet!
Der Jüngste is nebbich
ungeeignet.
Naschkatz
Ihr
könnt nicht genug die Mezzie euch preisen,
ihr
starbt doch für Wolle, wir leben für Eisen.
Und
wir müssen gestern und heute und morgen
uns
noch für Leder und Seife und Tafelöl sorgen.
Freihändig
offeriert man und erlebt noch die Schand,
ein
Dutzend Waggons bleiben einem in der Hand!
Jetzt
gehts noch, doch im Frieden – da sag ich von Glück,
wenn, Gott geb,
entsteht eine Waffenfabrik.
Freßsack
Gott verhüte das Unglück, wer redt heut von Frieden,
wir
haben uns zur Not mit der Kriegsnot beschieden.
Wir
liefern und leisten, und geben auch was her –
dann
wärn wir geliefert, und das wär ein Malheur.
Was
heißt Waffenfabrik, ich bin zufrieden mit Skoda,
die
Wirkung wie treffend beschreibt Roda Roda.
Wenn
ihr schon genug habt, so laßt nackt euch begraben,
meine Frau will einen
neuen Pelzmantel haben.
Naschkatz
Ihr
könnt es uns glauben, das Leben ist sauer,
ihr
Toten, ihr solltet für uns tragen Trauer.
Wenn
sich einmal herausstellt, man hat umsonst sich geplagt,
das
Friedensrisiko – Ihnen gesagt!
Wie
wenig bleibt einem, denn für meinen Sohn
kauf
ich jetzt ein Gut, und mein Freund wird Baron.
Einem
jeden das Seine. Dem Helden das Grab.
Wir sind die Hyänen.
Uns bleibt nur der Schab!
Chor der Hyänen
So
sei's! So sei's!
Doch
nur leis! Nur leis!
Die
Schlacht war heiß
und
durch euren Schweiß
und
durch unseren Fleiß
ist
gestiegen der Preis.
Gott
weiß, Gott weiß.
Noch
drei Waggon Reis
und
noch drei Waggon Mais
stehn
auf dem Geleis.
Steh
auf, geh leis!
Wir
schließen den Kreis.
So
sei's! So sei's!
Tango der Hyänen um die Leichen.
6-12 Der
Herr der Hyänen
Die Flammenwand im Hintergrund ist
inzwischen verschwunden. Ein schwefelgelber Schein bedeckt den Horizont. Es erscheint die riesenhafte Silhouette des Herrn der
Hyänen. In diesem Augenblick stehn die Hyänen still und bilden Gruppen.
Der Herr der Hyänen
(Moritz Benedikt). Schwarzer, graumelierter, wolliger, ganz kurzer Backen- und
Kinnbart, der das Gesicht wie ein Fell umgibt und mit ebensolcher Haarhaube
verwachsen scheint; energisch gebogene Nase; große gewölbte Augen mit vielem
Weiß und kleiner stechender Pupille. Die Gestalt ist gedrungen und hat etwas
Tapirartiges. Jackettanzug und Piquéweste. Der rechte Fuß in ausschreitender
Haltung. Die linke Hand, zur Faust geballt, ruht an der Hosentasche, die rechte weist mit gestrecktem Zeigefinger, auf
dem ein Brillant funkelt, auf die Hyänen.
Herr der Hyänen
Habt acht! Und steht mir grade!
Ich komme zur
Parade, und es gefällt mir gut.
Ihr habt die Schlacht gewonnen!
Nun ist die
Zeit begonnen!
Nun zeiget euren Mut!
Müßt nicht mit leisen
Tritten
den Tod um Beute bitten. Weh dem, der jetzt noch
schleicht!
Nein, sollt mit freiem Fuße
ihn treten, Gott
zum Gruße!
Denn jetzt ist es erreicht!
Und der es einst
vollbrachte, an seinem Kreuz verschmachte, wert, daß man ihn vergißt.
Ich tret' an seine Stelle, die Hölle ist die
Helle!
Ich bin der Antichrist.
Dank steigt von allen
Dächern, daß jener zwischen Schächern
nun auch sein Spiel vollbracht.
Sein bißchen Blut, verronnen
ist's kläglich
an den Tonnen
der unverbrauchten Macht!
Die Liebe ist
gelindert!
Sie hat es nicht verhindert, was nun zum Glück geschah.
So hört, ihr wahrhaft Frommen, das Heil ist doch
gekommen, der Antichrist ist nah!
Die nie besiegte
Rache
half der gerechten Sache, ich war ihr gutes Schwert!
Sie zogen blank vom Leder
dank meiner guten
Feder. Die Macht nur ist der Wert!
Aus diesem großen
Ringen
mit vielen Silberlingen
gehn siegreich wir hervor.
So schließen sich zum Ringe
die altgedachten
Dinge. Das Kreuz den Krieg verlor!
Und die gekreuzigt
hatten, wir treten aus dem Schatten
mit gutem Judaslohn!
Mich schickt ein andrer Vater!
Von seinem
Schmerztheater
tritt ab der Menschensohn.
Er weicht dem guten
Bösen. Er wollt' die Welt erlösen;
sie ist von ihm erlöst.
Damit sie ohne Reue, was sie erlöst hat,
freue
und für den Himmel tröst'!
Der Haß mußt' sich
empören. Um nimmer aufzuhören, war Liebe nicht gemacht.
Dank dieser Weltverheerung
gilt eine ewige
Währung, zu der der Teufel lacht!
Geht auch die Welt auf
Krücken, der Fortschritt mußte glücken, ging aufs Geschäft er aus.
Was Gott nicht will, gelingt doch, der Teufel
selber hinkt doch
und macht sich nichts daraus.
Mit invalider
Ferse
geht dennoch er zur Börse
und treibt den Preis hinauf.
Dort ist's gottlob nicht heilig, der Teufel hat's
nicht eilig
und läßt der Welt den Lauf.
Ich bin sein erster
Faktor, ich bin des Worts Redaktor, das an dem Ende steht.
Ich kann die Seelen packen
und trete auf den
Nacken
von aller Majestät!
Ich züchtige die
Geister. Drum zollet eurem Meister
den schuldigen Tribut.
Nach diesen großen Taten
auf größern
Inseraten
die neue Macht beruht.
Das Leben
abzutasten
mit unbeirrtem Hasten, seid, Brüder, mir bereit.
Versteht der Zukunft Zeichen, tastet noch ab die
Leichen, in Ziffern spricht die Zeit!
Laßt keine Werte
liegen, die dann die andern kriegen, macht eure Sache ganz!
Tragt ein in die Annalen
die intressantern
Zahlen
und macht mir Blutbilanz!
Der alte Pakt
zerreiße!
So wahr ich Moriz heiße, der Wurf ist uns geglückt!
Weil jener andre Hirte
sich ganz gewaltig
irrte!
Ich heiße Benedikt!
Ich bin gottlob
verwandt nicht, die andere Welt sie ahnt nicht, daß ich ein andrer Papst.
Denn alle an mich glauben, die wuchern und die
rauben
und die im Krieg gegrapst.
Die Frechen und die
Feigen
vor meinem Thron sich neigen, denn nun erst gilt das Geld.
Daß nie der Zauber weiche
von diesem meinem
Reiche!
Es ist von dieser Welt!
Ging' es nicht über
Leichen, die dicken, schweren Reichen
das Reich erreichten nie.
Steht auch die Welt in Flammen, wir finden uns
zusammen
durch schwärzliche Magie!
Durch die geheime
Finte
zum Treubund rief die Tinte
die Technik und den Tod.
Mögt nie den Dank vergessen
den Blut- und
Druckerpressen. Ihr habt es schwarz auf rot!
Ich traf mit
Druckerschwärze
den Erzfeind in das Herze!
Und weil es ihm geschah,
sollt ihr den Nächsten hassen, um Judaslohn
verlassen –
der Antichrist ist da!
6-13 Walzer
der Hyänen
Walzer der Hyänen um
die Leichen.
Hyänen
So
sei's! So sei's!
Wir
treten mit Mut.
Wir
treten nicht leis.
Wir
trinken das Blut!
Wir
treten mit Mut.
Wir
trinken es heiß.
Wir
treiben das Blut.
Wir
treiben den Preis!
Vergossen,
vergessen,
genossen,
gegessen,
wir
prassen und pressen,
wir
treiben den Preis!
So
sei's! So sei's!
Wir
treiben es mit Mut.
Die
Schlacht war heiß.
Wir
pressen das Blut!
Nicht
sinke der Mut.
Wir
bleiben im Kreis.
Wir
treiben das Blut.
Nicht
sinke der Preis!
Vergossen,
vergessen,
genossen,
gegessen,
wir
fressen und pressen,
wir
treiben den Preis!
Wir
treten und treiben
und
trinken das Blut.
Wir
pressen es gut!
Wir
treten und treiben
und
trinken es heiß.
Wir
treiben den Preis!
Schlaft
gut, schlaft gut!
Wir
treten nicht leis.
Eia
popeia!
So
sei's! So sei's!
Die Hyänen lagern sich über die Leichen.
6-14 Drei
Mitarbeiter der Neuen Freien Presse
Drei gelegentliche
Mitarbeiter der Neuen Freien Presse erscheinen.
1. Mitarbeiter
Der Frühschein schon über der Finsternis liegt.
Walzer
hat über den Tango gesiegt.
2. Mitarbeiter
Wie
sich endlich der Frohsinn der Trübsal gesellt!
Es
sind die Vertreter der Handelswelt.
3. Mitarbeiter
Das
Leben erholt sich von mühvollen Taten.
's
gibt Industriekapitäne und Bankmagnaten.
1. Mitarbeiter Ich
muß nicht mehr in der Einsamkeit wandern.
Ich
habe sie schon bemerkt unter andern.
2. Mitarbeiter
Mir
scheint selbst, das Ziel ist gar nicht mehr weit.
Ich
hatte bereits die Gelegenheit.
3. Mitarbeiter
Man
hat auch genug von dem Treiben der Truppen.
Es
bilden sich wieder die anderen Gruppen.
1. Mitarbeiter
Das
wird, mein' ich, jetzt ein ganz anderer Fall.
Ich
wittere Morgenluft und Concordiaball!
2. Mitarbeiter
Er
übertrifft ganz gewiß seine Vorgänger weit.
Frau
Fanto trägt ein Ecru-Creme-Crepe-Souplekleid.
3. Mitarbeiter
Die
Estrade wird kaum ihre Zugkraft verlieren.
Das
Publikum seh' ich bereits sich massieren.
1. Mitarbeiter Daß
sie, gottbehüt, nicht zusammenbräche!
Jetzt
ziehn sie sich alle schon in die Gespräche.
2. Mitarbeiter
Jetzt
kommen auch die, die sich immer begeben.
Was
sich sonst noch begibt, soll man nicht erleben.
3. Mitarbeiter
Der
(Erzherzog) Salvator hat einen elastischen Schritt.
Drei
kaiserliche Räte erscheinen zu dritt.
1. Mitarbeiter
Zwei
Konsuln erscheinen, weil man sie vermißte
sonst
in der sonst schon vollzähligen Liste.
2. Mitarbeiter
Man
verliert keine Zeit, die Verlustliste lesend.
Zum
Glück ist, was Namen hat, heute anwesend.
3. Mitarbeiter
Denn
hier geschieht, was längst geschah;
die
da sind da zu sein, sind da!
1. Mitarbeiter
Es
wimmelt von Sternen und auch Koryphän,
nein,
was sich da tut, man wird doch da sehn!
2. Mitarbeiter Der
Generalstab ist verhindert, aber der Höfer ist erschienen.
Noch
liegt der Ernst auf den sämtlichen Mienen.
3. Mitarbeiter
In
der welthistorischen Faschingsnacht
weiß
man doch, wofür man die Opfer gebracht.
1. Mitarbeiter
Gern
möcht' ich noch wissen, was der Feind sich da dächte.
Denn,
ei, der Humor tritt schon in seine Rechte.
2. Mitarbeiter
Sieh,
alles ist da, die Niedern und Obern.
Die
Jugend will sich das Tanzrecht erobern.
3. Mitarbeiter
Ich
fürchte, zu Ende geht dieses Fest.
Sie
sehn doch, der Teufel tanzt mit der Pest!
Sie entfliehn.
6-15 Menschen
und Tiere in wilder Flucht
Nun ist der ganze
Horizont von Rauchschwaden bedeckt. Ein scharlachfleckiger Mond tritt aus den
Wolken, die in schwarzgelben und farbigen
Fetzen hängen. Im Feld ein chaotisches Durcheinander aller Truppenkörper.
Drei Panzerautomobile erscheinen. Menschen
und Tiere in wilder Flucht. Stimmengewirr.
1. Stimme
Mir
klappern die Knochen, mir klappern die Knochen!
Der
Angriff ist in unserem Feuer gebrochen.
2. Stimme
Die
Affäre wird uns noch übel bekommen!
Wir
haben die Stellung mit kühnem Handstreich genommen.
3. Stimme
Das
halt' wenn er Lust hat der Teufel aus!
Wir
warfen den Gegner aus dem Graben hinaus.
4. Stimme
Da
hat uns der Herrgott was Schönes beschert!
Zwei
der Unsrigen sind nicht zurückgekehrt.
1. Stimme
Ich
fürchte, verlustreich ist diese Schlacht!
Wir
haben Gefangene eingebracht.
2. Stimme
Der
Feind, fürcht' ich, uns von der Flanke bedroht!
Ein
Säugling und zwei Zivilisten sind tot.
3. Stimme
Etliche
Volltreffer haben wir heute erzielt!
Fünf
Kinder haben auf dem Spielplatz gespielt.
4. Stimme
Wir
sind hin, ob Fußtruppe oder reitend!
Der
militärische Schade ist unbedeutend.
1. Stimme
Die
drüben so mörderisch Kirchweih feiern,
kein
Zweifel, es sind die braven Bayern!
2. Stimme
Das
wird ja mit jedem Augenblick ärger!
Es
sind wohl die wackeren Württemberger.
3. Stimme
Die
jetzt ihre Todesverachtung bewiesen,
das
sind die Thüringer, Pfälzer und Friesen.
4. Stimme
Das
Ergebnis der Handlung wird es euch lehren,
daß
sich die heißblütigen Ungarn bewähren.
1. Stimme
Ihnen
die Angriffslust zu bewahren,
treiben
wir vorwärts die tapfern Bulgaren.
2. Stimme
Die
dort so schlappe sich schieben und schleppen,
das
sind die verbündeten Muslims-Türken.
3. Stimme
Na
warts, jetzt gibts ordentlich Hieb mit der Peitschen!
Jetzt
kommen die Deitschen! Ja, das sind halt die Deitschen!
4. Stimme
Es
regnet in Strömen, das Terrain wird schon weicher.
Das
sind die gemütlichen Österreicher.
Diese
Stimme Da
sind wir in einer schönen Soß!
Das
ist der lange erwartete Gegenstoß!
Jene Stimme
Wer
nicht deutsch mit dem Feind spricht, ist ein Hundsfott! 'n Halunke!
Ihr
seid in der Sauce, wir sind in der Tunke!
Verschiedene
Was
geht denn nur vor, sind wir denn vereint?
Schießt
der Feind auf den Freund – oder der Freund auf den Feind?
Andere Stimme Was
soll uns denn diese Verbrüderung nützen?
Die
schießen ja mit unsern eignen Geschützen!
Alle
Das
ist wohl die schwerste von allen unsern Krisen!
Der
Angriff ist mühelos abgewiesen.
Eine
Stimme Wir
sind aus'm Wasser! Das Himmelsgewölb
verfärbt
sich, auf einmal is alles schwarzgelb!
Andere
Stimme Ach,
's ist doch zum Schießen, ik lache mir tot,
der
Himmel vaschtehste ist nur schwarzweißrot!
Die eine
Stimme Ja
Schmarrn, da schau her, das siehst du doch selber,
über
euch is er schwarz, über uns is er gelber.
Andere
Stimme Der
Himmel allein weiß, wofür wir hier starben.
Er
führt selbstvaständlich nur unsere Farben!
Beide
Stimmen Jedenfalls
will er freundlich den Fortgang begleiten,
schön
ist es, Schulter an Schulter zu streiten.
Die eine
Stimme Und
am End wird sich uns die Geschichte schon lohnen –
Andere
Stimme dank
unsern vortrefflichen Kruppkanonen.
Wir
verlassen uns ganz auf unsere Stärke –
Die eine
Stimme durch
Gottes und unsere Skoda-Werke.
Beide
Stimmen Doch
fürchten wir beide noch aufzusitzen,
denn
wir haben ja die neuesten Feldhaubitzen!
Blitze
Alle Stimmen durcheinander
Ja,
die da sind schneidig!
Die
hier haben Flammen!
dort
sind uns neidig,
wir
hau'n alles zusammen!
Feurige Schlangen am Himmel, rote und grüne Lichter
Was
ist denn los? Was ist denn los?
Stimmen von oben
Der
lange erwartete Gegenstoß!
Stimmen von unten
Wir
sind die Sieger! Wir sind die Sieger!
Kopf
hoch, das sind ja die eigenen Flieger!
Stimmen von oben
Ja,
Flieger, die mit ganz andern Gewichten
euch
den militärischen Stützpunkt vernichten!
Stimmen von unten
Das
ist gar ein prächtiger Zeitvertreib,
die
töten das Kind dann im Mutterleib!
Feurige Sterne, Kreuze und Schwerter am Himmel
Seht,
welche Pracht,
mit den schönsten Orden
lohnt
diese Nacht
unser braves Morden.
Leuchtende Kugeln, Feuergarben
Die
Untertanen
Ereignisse merken
mit
Flaggen und Fahnen
und Feuerwerken.
Drei Kometen
erscheinen
Stimmen von oben
Drei
feurige Reiter auf feurigen Rossen!
Daß
die euch am Ende nicht schlechter gefielen!
Stimmen von unten
Bei
uns kommen sie wie aus der Kanone geschossen,
sie
kommen auf Panzerautomobilen!
Stimmen von oben
Nicht
unwürdig wären sie eures Danks!
Sind
Maschinen von einem andern Gusse!
Stimmen von unten
Wir
kennen den Schwindel, wir hab'n unsre Tanks,
die
apokalyptischen Autobusse!
6-16 Zwei
Ordonnanzen
Zwei Ordonnanzen kommen.
1. Ordonnanz
Laßt
Hosianna erschallen, laßt Hosianna erschallen:
Bomben
sind auf den Ölberg gefallen!
2. Ordonnanz
Das
gläubige Ohr kein Zweifel belästigt:
Der Ölberg war längst
militärisch befestigt!
1. Ordonnanz
Lob
sei von euch dem Kühnen gesungen,
und
preiset mir auch den Weisen laut:
dem
endlich der große Wurf gelungen,
und jenen, der
rechtzeitig vorgebaut.
2. Ordonnanz
Jenen
und diesen, die's endlich vollbrachten,
laßt
sie auf Lorbeern, auf Dornen nicht ruhn.
Denn
wenn sie sich auch etwas anderes dachten,
ach, sie wußten doch,
was sie tun.
Beide
Wenn
statt der Kanone das Kreuz getroffen,
bei
verfehltem Ziel ist die Absicht löblich.
Nicht
splitterrichtend, wollen wir hoffen:
Der militärische
Schaden ist unerheblich.
6-17 Ein
großes blutiges Kreuz erscheint. Blutregen. Aschenregen. Steinregen. Funkenregen.
Ein großes blutiges Kreuz erscheint.
Stimmen von oben
Nun
tretet zurück, der Anblick gebeut's!
Habt
Achtung vor unserem roten Kreuz!
Stimmen von unten
Wer
macht uns das nach, uns macht man nichts vor,
wir
achten kein Amen, wir scheuen kein Omen!
Solang
unser Kaiser den Kopf nicht verlor,
schreckt
uns kein Astronom mit seinen Phantomen!
Blutregen setzt ein
Stimmen von oben
Geht
zurück, wenn ihr könnt, und seid auf der Hut!
Bei
euch ist's zu trocken, von oben fließt Blut!
Stimmen von unten
Unser
neuester Trick, das muß man nur wissen,
das
hat unser Kriegsrat längst beschlossen.
Wir
haben doch den Feind in der Luft zerrissen,
so
kommt eben das Blut von oben geflossen.
Die
Einheit der Fronten ist hergestellt –
Stimmen von oben
wenn
eine mit der andern zusammenfällt!
Stimmen von unten
Wir
sind stärker denn je, wenn das Wetter nur will,
so
hat uns der Generalstab berichtet.
Stimmen von oben
Doch
das Wetter pariert einem andern Drill!
Der
Himmel ist schwarz, eure Reihn sind gelichtet!
Aschenregen setzt ein
Stimmen von unten Das ist ja ein Segen, das ist ja ein Segen,
das
ist unser künstlicher Aschenregen!
Steinregen setzt ein
Mit
Steinen schmeißen? Ein altes Verfahren!
Da
sind unsre Handgranaten schon neuer.
Der
Anwurf prallt an uns ab, die seit Jahren
sind
abgehärtet im Trommelfeuer!
Stimmen von oben
Wir
sind drin noch nicht so sehr fortgeschritten,
doch
werden wir es mit der Zeit schon noch lernen.
Denn
unter uns, den besseren Sternen,
gibt
es zwar Vaganten, doch unter uns Banditen!
Stimmen von unten
Jeder
Stern kann von Glück sagen, scheint er über Berlin.
Eure
Offensive ist der typische Anfangsgewinn!
Funkenregen setzt ein
1. Stimme von unten Ich
komm' nicht ins Reine
mit der Erscheinung.
Davon
hab' ich meine
besondere Meinung.
2. Stimme von unten Was
soll dieses Schwirren?
Was soll das Gefunkel?
Es
scheint – davor irren
wir alle im Dunkel.
Völlige Finsternis
6-18 Die
Kino-Operateure
Die Kino-Operateure Das gibts nicht, was heißt das, das ist doch kein
Licht!
Da wird ja doch keine
Nummer daraus,
zwischen dem Sketch
»Willi geniert sich nicht«
und dem
Detektiv-Schlager »Mir kommt keiner aus!«
Das gibts nicht, wir
haben doch einen Vertrag,
wir brauchen einen
Treffer und keine Nieten!
Der Isonzofilm läßt
sich zwar nicht überbieten,
doch woll'n wir mehr Licht für den »Jüngsten Tag«!
6-19 Eine
Stimme von oben
Eine Stimme
Zu
eurem unendlichen Schädelspalten
von oben haben
wir bis zum Endsieg durchgehalten.
Nun aber wißt, in der
vorigen Wochen
hat der Mars die
Beziehungen abgebrochen.
Wir
haben alles reiflich erwogen
und sind in die
Defensive gezogen.
Wir sind denn
entschlossen, euern Planeten
mit sämtlichen Fronten
auszujäten
und mit allen
vermessenen Erdengewürmen,
die sich erfrechten,
die Sphären zu stürmen,
und wie immer sie sich
gewendet haben,
das Bild der Schöpfung
geschändet haben,
die Tiere gequält und
die Menschen versklavt,
die Schande geehrt und
die Würde bestraft,
die Schlechten gemästet,
die Guten geschlachtet,
die eigene Ehre am
tiefsten verachtet,
sich als Hülle
irdischer Güter benutzt,
ihre Sprache durch ihr
Sprechen beschmutzt,
und Seele und Sinne,
Gedanke und Wort
und ihr Jenseits nur
aufgemacht für den Export,
und Tod und Teufel und
Gott und die Welt
und die Kunst in den Dienst
des Kaufmanns gestellt,
den Lebenszweck hinter
dem Mittel versteckt,
mit dem Leib ihre
Fertigware gedeckt
als Knechte ihrer
Notwendigkeiten,
die ihr Dasein mit
ihrem Dasein bestreiten,
sich selber für das
Produkt verkauft
und mit dem andern um
den Rohstoff gerauft,
und ihren Handel mit
Haß nicht geendet,
mit Geld und Gift sich
die Augen geblendet,
in ihrem ruchlos
verblendeten Nichts
sich unwert erwiesen
des ewigen Lichts
und unter den Strahlen
der Sterne und Sonnen
sich Schlachten
geliefert und Schanden gewonnen,
im Frevel geeint, von
Süden bis Norden
den Geist nur
verwendet, um Leiber zu morden
und einverständlich
von Osten bis Westen
die Luft mit Rache und
Rauch zu verpesten,
die beten konnten, um
besser zu töten
und nicht vor Scham,
nur von Blut zu erröten,
ihren Gott gelästert
und ihrer Natur
zertreten die letzte
lebendige Spur,
das Blaue vom Himmel
heruntergelogen,
mit Landesfarben die
Landschaft betrogen,
Eisen gefressen,
jedoch zumeist
mit siegreichen Lügen
sich abgespeist,
auf die Not des
Nebenmenschen gepocht,
am Brand des Nachbarn
die Suppe gekocht,
von fremdem Hunger die
Nahrung genommen,
und sich dabei selber
nicht satt bekommen,
das Haupt des andern
mit glühenden Kohlen
beladen, um sich etwas
Wärme zu holen
und diese Empfindung
frech zu besteuern
und die Butter am
eigenen Kopf zu verteuern,
erpreßt und geplündert,
gelogen wie gedruckt
und als Kost nur den
eigenen Wahn verschluckt,
Invaliden auf allen
Siegeswerkeln,
Agenten mit Lues und frischen Tuberkeln,
Händler und Helden und Menschenjäger,
Bombenwerfer,
Bazillenträger,
Raubbauer am Schatze
der Phantasie,
Bankrotteure der
eigenen Ökonomie,
Buschräuber hinter dem
Ideale,
Glücksritter in einem
Jammertale,
gepanzert mit Bildung,
gewandt und gelehrt,
überbewaffnet und
unterernährt,
von Gnaden ihrer
Maschine mächtig,
hochmütig und dennoch
niederträchtig,
von sich überzeugte
Untertanen,
erbaute Erbauer von
Bagdadbahnen
Hochstapler der Höhen
und Schwindler der Tiefen,
Hyänen, die Leben und
Tod beschliefen,
Flieger, die an dem
Irdischen haften,
Sklaven der neusten
Errungenschaften,
in Tort und Technik
bestens erfahren,
elektrisch beleuchtete
Barbaren,
die vor dem Tod noch
den Einfall hatten,
ihn mit allem Komfort
fix auszustatten,
so daß er bei jenen
behaglich gelebt,
die auf der Flucht vom
Ursprung das Kriegsziel erstrebt! –
Nicht abgeneigt einem
Verständigungsfrieden,
hat das Weltall sich
folgendermaßen entschieden:
Wir vom Mars sind gar
nicht eroberungssüchtig.
Doch greift man was
an, so greift man es tüchtig.
Zum Heil des Alls und
all seiner Frommen
haben wir eure
Methoden angenommen.
Sowohl um zu forschen
wie um zu töten
war uns eure
Wissenschaft vonnöten.
Durchs Fernrohr
betrachtet war euer Stern uns nur Schnuppe:
wir besahn den
martialischen Zwerg durch die Lupe!
Wir woll'n nur ein
wenig das Wetter erheitern,
doch nimmer an euch
unsre Grenzen erweitern.
Die Prüfung war
schwer. Vernehmt das Ergebnis:
Wir planen mit euch
ein besondres Erlebnis.
Fern sei es von uns,
euch zu annektieren,
wir würden dadurch an
Prestige verlieren.
Zu friedlicher Arbeit
dem Kosmos zu nützen,
wollen wir nur die
eigenen Grenzen schützen.
Entschlossen, auf
euern Besitz zu verzichten,
wollen wir das Geschäft
ganz anders verrichten.
Die Kriegskosten
werdet ihr freilich bezahlen,
da der Schuldner
getilgt wird aus den Annalen,
damit auf
Ewigkeitsdauer die Sphären
sich über Störung der
Harmonie nicht beschweren,
nicht greife in den
verschlossenen Äther
die Hand der Denker
und Attentäter,
und kein Schlachtendonner,
kein Handelstauschen
je dringe zu unserm
verschwiegenen Rauschen!
Habt lange genug im
Weltall gesprochen.
Die Ewigkeit ist
bereits angebrochen.
Lang' wartetet ihr und
warteten wir,
wir harrten geduldig,
ihr hofftet mit Gier.
Und damit doch auf
eurer noch hoffenden Erde
nun endlich der
endliche Endsieg mal werde,
und damit sich dagegen
kein Widerspruch regt
haben wir die Erde
erfolgreich mit Bomben belegt!
6-20 Stimme
von unten
Meteorregen setzt ein
Stimme von unten
Mal
'ran ins Feld!
Noch
einer mehr!
»Und
wenn die Welt – «
Flammenlohe
Stimme von unten
Nur
feste druff!
Auf
Knall und Fall!
»Es
braust ein Ruf – «
Weltendonner
Stimme von unten
Das
ist uns neu!
Was
soll das sein?
»Fest
steht und treu – «
Untergang
Stimme von unten
Wir
sind verbrannt!
Wer
brach da ein?
»Lieb
Vaterland – «
Ruhe
Stimme von oben
Der
Sturm gelang.
Die
Nacht war wild.
Zerstört
ist Gottes Ebenbild!
Großes Schweigen.
Die Stimme Gottes
Ich habe es nicht gewollt.
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