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1914 
Einem »Marstheater« sei das Stück zugedacht, schreibt Karl Kraus im Vorwort zu »Die letzten Tage der Menschheit«. »Theatergänger dieser Welt vermöchten ihm nicht standzuhalten.« Man soll gewarnt sein, dass alles, was man hören und sehen wird, tatsächlich geschehen ist. »Das Dokument ist Figur, Berichte erstehen als Gestalten, die unwahrscheinlichsten Gespräche sind wörtlich gesprochen worden, die grellsten Erfindungen sind Zitate.«

Das Vorspiel setzt mit der Nachricht von der Ermordung des Österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Frau am 28. Juni 1914 in Serajevo ein, die von den Zeitungsausrufern verbreitet wird. Dass dieses Attentat den Ersten Wettkrieg auslösen wird, davon ahnt die Welt zu diesem Zeitpunkt noch nichts. In Wien, wo die Hofgesellschaft sich vor allem selbst feiert, ist man froh, den reformsüchtigen und friedenstüchtigen Thronfolger los zu sein, und richtet ihm lediglich ein demütigendes »Begräbnis dritter Klasse« aus.

Der erste Akt, wie schon das Vorspiel, beginnt mit den Zeitungsausrufern an der Sirk-Ecke, einem populären Treffpunkt in der Wiener Innenstadt gegenüber der Oper. Nachdem Serbien ein inakzeptables Ultimatum Österreich-Ungarns abgelehnt hat, ist der Krieg ausgebrochen. Überall sind patriotische Schlachtrufe zu hören, die Massen jubeln. Man fühlt sich dem Feind militärisch und moralisch überlegen und rechnet fest damit, dass der Krieg in nur wenigen Wochen vorbei und gewonnen sein wird.

Angehörige der »besseren Gesellschaft« sorgen dafür, dass sie selbst nur ja nicht zum Kriegsdienst einberufen werden, während die Kriegsberichterstattung vom Soldatenleben als »freigewordenem Menschentum« schwärmt und den »einfachen Mann« feiert, der an der Front für den Kaiser sein Leben riskiert. Als Gegenpol zur Kriegseuphorie erlebt die Figur des Nörglers, mit der sich Karl Kraus im Stück selbst verewigt hat, hier ihren ersten Auftritt: Auf die Frage, ob er nicht bemerke, dass nun endlich »eine neue, eine große Zeit angebrochen« sei, antwortet er: »Ich habe sie noch gekannt, wie sie so klein war – und sie wird es wieder werden!«

1915-1917
Im zweiten Akt gewinnen die Geschehnisse an der Front zunehmend an Bedeutung, nachdem der erste Akt noch fast ausschließlich im Hinterland gespielt hat. Es ist 1915, der Krieg dauert bereits länger, als zunächst erwartet. Erste Auswirkungen des Kriegs machen sich im alltäglichen Leben bemerkbar. Die Lebensmittelpreise steigen - und damit auch die Gewinne der Wucherer und Schieber. Für die Generäle und Offiziere ist der Krieg nach wie vor ein großes Abenteuer, bei den es vor allem darauf ankommt, möglichst fesch auszusehen. Und die Wiener Gesellschaft hat eine neue und prestigeträchtige Freizeitbeschäftigung für sich entdeckt: die Gründung von Wohltätigkeitsorganisationen, die sich der ersten heimkehrenden Kriegsversehrten annehmen.

Der dritte Akt, dessen Szenen sich anhand der zitierten Zeitungsmeldungen auf das Jahr 1916 datieren Lassen, wendet sich schließlich dem wichtigsten Verbündeten Österreich-Ungarns zu, dem deutschen Kaiserreich. Deutsche Wissenschaftler, Literaten, Geistliche kommen zu Wort und heizen die zu erlahmen drohende Begeisterung für den Krieg wieder an: »Mehr Stahl ins Blut«, fordert etwa ein protestantischer Pfarrer.

Im vierten Akt tauchen Bettler und Invaliden in den Szenen auf. Im dritten Kriegsjahr, 1917, lassen sich die Folgen des Krieges nicht mehr leugnen. Zunehmend ist von den eigenen Toten die Rede. Ohne Rücksicht auf Verluste jagt jedoch der Generalstab die Soldaten in immer aussichtslosere Schlachten. Wer aufbegehrt oder gar zu desertieren versucht, wird standrechtlich erschossen. Doch selbst die blutigste Schlacht ist noch ein guter Stoff für einen Kinofilm oder gibt Anlass für eine besonders mitreißende Kriegsreportage.

1918
Der fünfte Akt beginnt mit der Nachricht vom Austritt Bulgariens aus dem Krieg im September 1918. Er endet mit dem Waffenstillstand vom November 1918. Der Krieg ist vorüber. Er mag verloren sein, doch schon werden Pläne für den nächsten Waffengang vorbereitet. Als ob nie etwas gewesen wäre, haben die Geschäftemacher sich bereits neuen Absatzgebieten zugewandt, und die Offiziere schaffen noch schnell die Kriegsbeute beiseite. Die einfachen Soldaten, die den Krieg überlebt haben, kehren in eine Heimat zurück, in der niemand auf sie gewartet hat und niemand wissen möchte, was ihnen wirklich widerfahren ist.
Während des Liebesmahls bei einem Korpskommando, der letzten Szene des Stücks, liegen sich deutsche und österreichische Offiziere weinselig in den Armen. Feiernd und singend lässt man den glorreichen Krieg Revue passieren, während draußen der Geschützdonner der Front immer näher kommt, dann aber schließlich verstummt. Als die Festgesellschaft schließlich volttrunken in den Schlaf sinkt, zieht über den schlafenden Gestalten das andere Gesicht des Krieges vorüber: Elend, Leid, Verzweiflung und Tod.

Im Epilog lässt Karl Kraus in einer künstlerisch stark geformten Sprache, die sich deutlich von den vorherigen Szenen abhebt, die wichtigsten Figuren des Stücks noch einmal auftreten: Generäle, Wissenschaftler, Kriegsberichterstatter, einen sterbenden Soldaten, aber auch den Chor der Hyänen als Sinnbild für die vom Krieg profitierenden Unternehmer und Zeitungsmacher. Da sich die Menschheit als nicht lernfähig erweist, beschließen die Bewohner des Mars, die Erde zu beschießen und den gesamten Planeten zu zerstören.

Der Letzte Satz des Stücks ist der Stimme Gottes vorbehalten: »Ich habe es nicht gewollt« - jener berüchtigte, dem deutschen Kaiser Wilhel sm Il. zugeschriebene Ausspruch, mit dem dieser sich von seiner Mitschuld am Krieg freizusprechen versuchte.